Otto Schily beim Asylrecht auf Stolperpfaden

■ „Rechtsweggarantie wird wegfallen“/ Parteienstreit wird immer chaotischer

Berlin (AP/AFP/taz) — Die Parteien üben sich in Selbstsuggestion: Trotz erheblicher Meinungsunterschiede quer durch alle Lager und immer weniger nachvollziehbarer Vorschläge zur Asylpolitik erhoffen sich CDU/CSU, SPD und FDP von ihren jeweiligen Parteitagen eine klare Linie mit anschließender Einigung auf eine Änderung des Artikels 16.

Wirtschaftsminister Möllemann und die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, beide FDP, wandten sich erneut gegen die von der Union, Teilen der SPD und neuerdings auch von dem ehemaligen Grünen Otto Schily geforderte Abschaffung eines individuellen Grundrechts auf Asyl, „mit der“, so Schily, „auch der Wegfall der Rechtsweggarantie verbunden wäre“. Statt des Rechtswegs schlägt Schily neben einem Beschwerdeausschuß einen „Flüchtlingsbeauftragten“ vor. Leutheusser-Schnarrenberger indes veröffentlichte am Sonntag in Bonn ein Rechtsgutachten, nach dem Deutschland unabhängig von jeder Grundgesetzänderung durch internationales Recht weiter verpflichtet bleibt, für jeden einzelnen Asylsuchenden ein Prüfungsverfahren durchzuführen. Listen von sogenannten Nichtverfolgerstaaten aufzustellen mit dem Ziel, BürgerInnen dieser Länder nicht mehr zum Asylverfahren zuzulassen, ist nach diesem Gutachten nicht zulässig, das das Heidelberger Max- Planck-Institut für ausländisches und öffentliches Recht im Auftrag der Ministerin anfertigte.

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ingrid Matthäus- Maier hält den SPD-Parteitag für die letzte Chance ihrer Partei, in der Asylpolitik in die Offensive zu gehen. Peter Struck, parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, will bereits vorher mit CDU/ CSU und FDP reden, für SPD- Vize Oskar Lafontaine ist die Zustimmung des Parteitages zur Grundgesetzänderung schon sicher. Der Vorstand der bayerischen SPD wandte sich dagegen am Samstag mit 17 zu sieben Stimmen gegen eine Grundgesetzänderung und stellte sich damit auch gegen die bayerische SPD-Vorsitzende Renate Schmidt.

Arbeitsminister Blüm (CDU) schlug zum Auftakt der bundesweiten „Woche der ausländischen Mitbürger“ in Erfurt vor, einen Teil des Geldes, das jetzt für AsylbewerberInnen verwendet werde, zur Bekämpfung von Fluchtursachen einzusetzen. Da offensichtlich anders in der Bundesrepublik nicht an solches Geld heranzukommen ist, will Bundesfamilienministerin Rönsch die Sozialleistungen für AsylbewerberInnen drastisch kürzen.

Der Weltrat der Roma und Sinti hat dagegen die Europäische Gemeinschaft dringend aufgefordert, über die Grenzen zu blicken und ihre Aufmerksamkeit der Verfolgung der Roma in Osteuropa zuzuwenden. Weltrat-Präsident Reiko Djuric nannte das deutsch-rumänische Abkommen über die schnellere Abschiebung von Roma eine „Katastrophe“; in Rumänien gebe es auch weiter ständig Pogrome gegen Roma. Der sächsische Ausländerbeauftragte Heiner Sandig wiederum will eine neue Rechtsgrundlage für den deutschen Umgang mit Roma erarbeiten. Er stellt sich vor, Roma aus dem Asylverfahren herauszuhalten, indem ihnen ein begrenzter Aufenthalt und bestimmte Arbeiten gestattet werden, ähnlich der Behandlung von SaisonarbeiterInnen. bm