Ein deutsches Wochenende

■ Die „Woche der ausländischen Mitbürger“ beginnt mit Brandstiftung im einstigen KZ Sachsenhausen, einem Dutzend Anschlägen auf Fremde, aber auch antirassistischen Demos

Ganz Deutschland (AP/AFP/taz) — Brände und Anschläge auf AusländerInnen prägten zum Beginn der „Woche der ausländischen Mitbürger“ auch das zurückliegende Wochenende. In der Nacht zum Samstag, am Vorabend des jüdischen Neujahrsfestes, brannte im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen nördlich von Berlin die einzig erhaltene Baracke 38, die „Jüdische Baracke“, zur Hälfte ab. In dem Bau war das „Museum für die Leiden der jüdischen Kameraden“ eingerichtet. Der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin hatte ihn noch vor wenigen Tagen besichtigt. Die zuständige Polizei in Oranienburg schloß gestern eine technische Brandursache aus; eine Sonderkommission ermittelt. Der Brand in der 1961 eingerichteten Gedenkstätte Sachsenhausen ist der erste Anschlag auf ein ehemaliges Konzentrationslager. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, bezeichnete den Anschlag als „Signal der Rechten“: Es gehe nicht nur um Ausländerfeindlichkeit, sondern auch um Neonazismus. Am Sonntag versammelten sich zweihundert Menschen in Sachsenhausen und protestierten gegen den Anschlag. Adass Jisroel, die kleine orthodoxe Gemeinde von Berlin, forderte einen verstärkten Schutz für Gedenkstätten und Ausländerwohnheime. Auf Transparenten hieß es: „Kein Viertes Reich!“

In Hoyerswerda demonstrierten am Samstag 600 Menschen, um an die Vertreibung von AsylbewerberInnen aus der Stadt vor einem Jahr zu erinnern.

Mindestens zehn Unterkünfte für AsylbewerberInnen, AussiedlerInnen und polnische ArbeiterInnen wurden am Wochenende überfallen; meist entkamen die Täter. In Beeskow bei Frankfurt/Oder griffen in der Nacht zum Samstag zehn Jugendliche einen mit PolInnen besetzten Reisebus an. In der Nacht zum Sonntag warfen sechs Männer mehrere Brandsätze in ein Heim in Henningen bei Salzwedel, in dem RumänInnen leben. In Karow in Mecklenburg-Vorpommern überfielen Jugendliche ein Aussiedlerheim und warfen Scheiben ein. In der Vornacht hatten in Kröpelin rund 40 Jugendliche versucht, in ein Asylbewerberheim einzudringen. Die Polizei drängte die mit Steinen und Molotowcocktails Bewaffneten ab und nahm zwei Täter fest. Im Parchimer Stadtteil Ziegendorf attackierten etwa 15 Skins ein Heim, die BewohnerInnen flohen zum Pfarrer. In Eichberg bei Parchim versuchten zwei Täter ein Heim in Brand zu setzen, die BewohnerInnen konnten das Feuer löschen. In Zemmin brannte ein als Lager genutztes Zelt auf dem Gelände eines Flüchtlingsheims ab.

Die beiden Brandanschläge auf ein Heim für AsylbewerberInnen und einen polnischen Reisebus in der Nähe von Darmstadt sind inzwischen geklärt. Die Polizei nahm am Samstag nachmittag drei Verdächtige fest, nachdem diese einen Jugendlichen geschlagen hatten. Die drei gestanden die Anschläge, bei dem der polnische Reisebus ausgebrannt, aber niemand verletzt worden war. Ein Zeltlager für 350 AsylbewerberInnen im Westen Darmstadts wird unterdessen von bewaffneten Mitarbeitern eines privaten Unternehmens bewacht. bm

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