Zwangs-Umsiedlung aus Prinzip

■ 40 Asylbewerber aus dem Schanzenviertel sollen auf die Veddel ziehen - zwecks "Entkrampfung" / Behörde gibt intakte Unterkunft in der Schanzenstraße auf und kann keine plausible Begründung liefern

aus dem Schanzenviertel sollen auf die Veddel ziehen
— zwecks „Entkrampfung“ / Behörde gibt intakte Unterkunft in der Schanzenstraße auf und kann keine plausible Begründung liefern

Manchmal geschehen merkwürdige Dinge in Hamburg. Das Bezirksamt Mitte will 40 Asylbewerber aus ihrem Haus in der Schanzenstraße ausquartieren, obwohl sie es nicht wollen und auch nicht müßten. Dort, wo sie künftig leben sollen, müssen andere weichen. Der Sinn dieser Verschieberei bleibt im Dunkeln.

Der Vermieter Siebert Hermann wäre jederzeit zur Vertragsverlängerung bereit. Die Platzverhältnisse in dem 600 Quadratmeter Wohnfläche umfassenden Haus sind vergleichsweise gut, Probleme mit Anwohnern gibt es nicht, und die rund 20 Kinder der Familien aus Jugoslawien, Polen, Afghanistan und der Türkei sind in den umliegenden Schulen integriert.„Wir danken Ihnen für die Zusammenarbeit“, schrieb das Bezirksamt vor 14 Tagen an Hermann. Der Vertrag werde zum 30. November aufgelöst. Die Stadt sei an dem Gebäude nicht mehr interessiert. Den Bewohnern wurde mitgeteilt, sie müßten die Schanzenstraße bis zum 15. Oktober verlassen. Bereits am Freitag wurde die Heizung abgestellt, zwei Waschmaschinen wurden abtransportiert.

Als Alternative steht den Asylbewerbern jetzt das Hotel „Fetopa“ zur Verfügung, eine ehemalige Fernfahrerunterkunft auf der Veddel in der Straße Am Zollhafen, ein erheblich kleineres Gebäude. „Das Fetopa ist ein Stall“, schimpft Fedatt Omricic. Der 52jährige Jugoslawe wohnt seit drei Jahren in der Schanzenstraße und will wie alle übrigen nicht weichen. Nur eine ältere Polin hat sich vom Quartiersmeister des Sozialamts Mitte einschüchtern lassen. Zusammen mit ihren zwei Söhnen, ihrer Tochter und deren zwei Kindern zog sie am vergangenen Dienstag auf die Veddel. Etwas verloren steht sie in der Küche an einem der zwei Elektroherde, die demnächst für rund zehn Familien reichen sollen. Das Gebäude hat nur einen Duschraum, zwei Herren- und zwei Damentoiletten.

„Es gibt wirklich schlimmere Unterkünfte“, rechtfertigt die zuständige Sozialdezernentin Florian die Behördendirektive. Eine Rücknahme der Entscheidung schließt sie aus: „Wir wollen nicht, daß in St.Georg und St.Pauli so viele Asylbewerber in Pensionen untergebracht sind.“ Von 200 Hotels, die für Obdachlose und Flüchtlinge genutzt werden, befinden sich allein 130 im Bezirk Mitte. Auch der stellvertretende Sozialamts-Chef Asmus hält eine „Entkrampfung“ für unbedingt geboten.

Warum soll ausgerechnet eine intakte, für Familien geeignete Unterkunft aufgelöst werden, deren Miete im Vergleich zu anderen Pen-

1sionen auch noch im unteren Drittel liegt? Sozialdezernentin Florian kommt ins Schlingern. Es gebe da feuertechnische Probleme, die Rückwand des Gebäudes sei nicht „anleiterbar“, der Treppenbelag leicht brennbar. Für Vermieter Hermann ein vorgeschobenes Argu-

1ment. Hatten Feuerwehr und Bauprüfamt das Gebäude doch erst vor einem halben Jahr inspiziert und alles für korrekt befunden.

Das Bemühen der Behörden, die Unterbringung der Flüchtlinge zu „entspannen“, scheint in diesem Fall noch aus einem anderen Grund

1wenig erfolgreich: Um das „Fetopa“ für die Schanzenstraßen-Bewohner frei zu machen, mußte dort vergangene Woche eine Gruppe minderjähriger afrikanischer Flüchtlinge ausquartiert werden. Sie wurden in Hotels umgesiedelt — nach St.Pauli. Kaija Kutter