■ Dem Bergwerk von Wieliczka droht Überflutung
: Polens „Salzstadt“ unter Wasser

Warschau (taz) — Das Salzbergwerk von Wieliczka, einige Kilometer südöstlich von Krakau gelegen, gehört zu den größten Touristenattraktionen in Polen. Seit 1978 steht es auf der Unesco-Liste des Weltkultur- und Naturerbes. Auch Kopernikus und Goethe haben die seit dem 13. Jh. in Betrieb befindliche Salzgrube besichtigt.

Der einzigartigen Anlage droht nun durch starke Wassereinbrüche die Zerstörung. Der erste Wasserfluß kam bereits im April, seit einigen Tagen strömen erneut riesige Mengen von Süßwasser in die Grube. Bergleute und Geologen arbeiten Tag und Nacht, doch das mit einer Geschwindigkeit von 1.000 Liter/Minute fließende Wasser ist schneller als alle Pumpen. Man versucht, Dämme zu bauen und spezielle Verdichtungsmassen in die Erde zu spritzen. Ein Krisenstab wurde gebildet und der polnische Umweltminister war auch schon da. Auf dem Weg nach Wieliczka ist ebenfalls eine EG-Delegation, die die Rettungsaktion möglicherweise mit 1,5 Millionen Dollar unterstützen wird. Das Salzlager von Wieliczka ist etwa 20 Millionen Jahre alt. Über 340 Kilometer erstreckt sich ein einzigartiges Stollensystem, die Verbindungsgänge sind 200 Kilometer lang. In Wieliczka haben die Bergleute auch eine Kirche aus Salz gehauen, der fünf große Kronleuchter das Licht spenden. Auch ein Sanatorium ist in dieser „Salzstadt“ unter Tage errichtet worden.

Die jodhaltige Luft hat hier schon vielen an Bronchitis und Asthma erkrankten Menschen geholfen. Daß das berühmte Salzbergwerk von Überflutung bedroht ist, weiß man in Wieliczka natürlich nicht erst seit heute. Geologen haben die Katastrophe schon seit einigen Jahren angekündigt. Wie auch bei anderen Kulturdenkmälern in Polen fehlte es in Wieliczka an den nötigen Mitteln für kontinuierliche Absicherungs- und Verdichtungsarbeiten. Ungeklärt sind bis heute auch die Konditionen des Salzbergwerks selbst, daß als eigentlicher Produktionsbetrieb nur begrenzt an Touristen und Sanatorium verdienen durfte, so daß die Attraktivität der Anlage noch nie richtig marktwirtschaftlich genutzt wurde.

Nach Expertenschätzungen wären etwa 300 Millionen Mark nötig, um das Salzbergwerk zu sanieren. Bei den allgemeinen Finanzschwierigkeiten des Landes ist eine solche Summe natürlich nicht aufzubringen. Dabei muß dringend eine Lösung gefunden werden, denn falls man den Wasserstrom nicht aufhält, droht der über der Grube liegenden Siedlung ebenfalls die Zerstörung.

Laut einer österreichischen Expertise von 1991 würde dann an der Stelle Wieliczkas ein See entstehen. Der jetzige Wasserstrom hat bereits die Erde derart abgesenkt, daß der Zugverkehr nach Wieliczka eingestellt wurde. An den Mauern bemerkt man bereits Risse und viele packen schon ihre Koffer. Marzenna Guz-Vetter