Dreiste Dummheiten unter das Volk

■ Schnellredner Heck verleiht die Goldene Stimmgabel, So., ARD, 20.15 Uhr

Es war der 21. August 1968, der Tag, an dem die Truppen des Warschauer Paktes dem Prager Frühling ein schlimmes Ende bereiteten. Drei Redakteure einer westpfälzischen Schülerzeitung reisten nach Saarbrücken, um im Funkhaus Halberg einen gewissen Carl- Dieter Hackscher zu interviewen, der auf der Europawelle Saar mit seiner „Deutschen Hitparade“ allerlei Seichtes unter seine HörerInnen brachte, von Roy Black („Ganz in Weiß“) bis Heintje Simons („Ich bau dir ein Schloß“).

Kohlenmann habe er als kleiner Junge werden wollen, bekannte der schon damals popularitätssüchtige („daß mein nächstes Ziel das Fernsehen ist, ist völlig logisch“) Schwätzer, der sich fortan als Platitüden verbreitender Schnellredner der „ZDF-Hitparade“ allmonatlich in die bundesdeutschen Wohnzimmer einschlich. Seine Namensmutation basierte auf der inflationären Nennung „Dieter“ unter den Moderatoren von „Radio Luxemburg“. Nach einem Bravo-Wettbewerb wurde dann Dieter Thomas Heck geboren. Er war schon damals ein Gegenrevolutionär und hofierte den „fröhlichen deutschen Schlager“. Zu gerne wäre er selbst triumphierend in die deutschen Trivial-Charts eingezogen, doch seine kläglichen Versuche gerieten zu erbärmlichen Flops.

Heute ist der Bart, der nie zu ihm paßte, ab, und Heck plagt uns multifunktional qua „Pyramide“, Wunschkonzerte, „Bülowbogen“ und am Sonntag mit der inzwischen zwölften Verleihung der „Goldenen Stimmgabel“. Eine aus seiner Generation ist Doris Wegener aus Berlin, die in den sechziger Jahren als „Manuela“ bekannt geworden ist. Die aus Kummer ergraute 52jährige gewann die Oldie- Stimmgabel und behauptete, gestylt wie ein Früh-Twen, weiterhin: „Schuld war nur der Bossa Nova.“ Das Publikum zeigte Mitleid und nahm das totale Verarschungsspektakel so an, als geschehe hier etwas enorm Wichtiges.

Favoriten: die Volksmusikanten, die solch dreiste Dummheiten unter das versammelte Volk streuten, daß mehrjährige Haftstrafen angebracht gewesen wären. „Die Schäfer“ aus dem nordbadischen Bretten, einem Ort, der von drei Atomanlagen quasi eingeschlossen ist, leben „gern in diesem Land, wo schon die Wiege meiner Ahnen stand“. Die fünf SchäferInnen trafen darüber hinaus die Grundstimmung des Publikums: „Es ist die wahre Lebensfreude, ein kleines Schaf in der Herde zu sein“, zementierten das dichotome Weltbild der Unmündigen. Folgerichtig dann der Auftritt des Polizeimusikkorps, das Heck und Opern-René-Kollo bei einem Berlin-Potpourri, bedrohlich ausgestattet mit Fanfaren und preußisch geschwungenem Taktstock, martialisch begleitete. Sollten die Herren Diepgen und Nawrocki auf die (glänzende) Idee kommen, Heck und Kollo zu Olympia-Botschaftern für Berlin 2000 zu machen — selbst Peking hätte das Ticket sicher, und die BerlinerInnen wären Olympia endgültig los. Für Heck, der CDU schon immer sehr nahe, bliebe dann nach Funk und Fernsehen ein dritter Karrieresprung als Politiker. Er ist der, den das Volk — mehr noch als Kohl — wirklich verdient. Günter Rohrbacher-List