Hunderte von Frauen massakriert

■ Liberias Guerillabewegung NPFL richtete ein Blutbad an/ Angeblich über 300 Frauen in „Racheakt“ an rivalisierender Gruppe getötet/ Bemühungen um stärkere internationale Vermittlung im Liberia-Konflikt

Berlin/Monrovia (taz/ap) — Über 300 Menschen sollen einem Massaker im Westen Liberias zum Opfer gefallen sein, wo seit Wochen wieder blutige Kämpfe stattfinden. Eine Augenzeugin namens Dudu Kamara berichtete, Kämpfer der „Nationalpatriotischen Front“ (NPFL) hätten das Blutbad am Freitag angerichtet. Überall hätten Leichen gelegen, sagte die Frau, die dem Gemetzel entkommen konnte. Ihrzufolge handelt es sich bei den meisten Opfern um Marktfrauen, die zwischen Liberias Hauptstadt Monrovia und den westlichen Bezirken Cape Mount und Bomi Handel trieben. Das Gemetzel habe drei Stunden gedauert. Die NPFL-Kämpfer hätten viele Häuser angezündet. Außerdem hätten sie etwa 70 ihrer eigenen Leute umgebracht, die in Gefangenschaft der rivalisierenden „Vereinigten Befreiungsbewegung für Demokratie in Liberia“ (ULIMO) geraten waren.

Die NPFL unter ihrem Führer Charles Taylor hatte im Sommer 1990 fast das gesamte liberianische Staatsgebiet mit Ausnahme Monrovias unter ihre Gewalt gebracht und eine eigene Regierung installiert, während in Monrovia seither eine international anerkannte Regierung unter Schutz einer Friedenstruppe der „Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft“ (ECOWAS) amtiert. Seitdem ein Plan zur Demobilisierung der verschiedenen liberianischen Armeen im April scheiterte, mehren sich wieder bewaffnete Auseinandersetzungen. Die NPFL kämpft dabei vor allem gegen die ULIMO, eine vom Nachbarland Sierra Leone gestützte Truppe aus Anhängern des 1990 ermordeten liberianischen Präsidenten Samuel Doe. Die ULIMO marschierte im Juli über die Grenze in den Westen Liberias ein und brachte seitdem zwei NPFL-kontrollierte Provinzen unter ihre Gewalt.

Das jüngste Massaker war offenbar ein Racheakt der NPFL. Die Guerillabewegung hatte ihre Niederlagen gegen die ULIMO Verrat zugeschrieben und machte insbesondere ihre von der ULIMO gefangenen Kämpfer dafür verantwortlich. Der Vorfall wirft aber auch ein neues Schlaglicht auf einen Konflikt, der seit Anfang 1990 in Liberia und Sierra Leone über 20.000 Menschenleben gefordert hat. Die gegenwärtig 8.000 Mann starke, von Nigeria angeführte westafrikanische Friedenstruppe hat die neue Eskalation nicht verhindern können — im Gegenteil: die NPFL sieht in den Westafrikanern ihren Hauptfeind. Erst Anfang September nahm die Guerilla eine 500 Mann starke Einheit der Friedenstruppen gefangen und entließ sie erst Wochen später, entwaffnet und mißhandelt. Die Westafrikaner haben nun ihre Pläne aufgegeben, den Aktionsradius ihrer Friedenssoldaten von Monrovia auf das ganze Land auszudehnen, und suchen logistische Hilfe von der UNO. Ein westafrikanischer Diplomat bei der UNO- Vollversammlung in New York: „Was wir wollen, ist konkrete Hilfe.“ Nigerias Botschafter in Monrovia erklärte unterdessen, er sei bereit, die NPFL „mit allen Mitteln niederzuschlagen“.

Wie die NPFL auf solche Drohungen reagiert, läßt sich aus dem neuen Blutbad ableiten. Beobachter warnen, die NPFL habe sich mit Panzern und schwerer Artillerie eingedeckt und verfüge sogar über mehrere „Mirage“-Kampfflugzeuge. Die nächsten Massaker scheinen vorprogrammiert. D.J.