Ins Ländchen gestreuselt

■ Radio Bremen funkt ganz neuartig: Ein vorläufiges Schulterklopfen, angedeutet

Kinder singen den Basin Street Blues. Es ertönt eine Weise von der Western Bar in El Paso. Man erfährt gewisse Dinge über Konrad, den schlimmen Schacht. Eine freundliche Dame kündigt an, daß von der Kartoffelernte berichtet werde. Der Möbelhändler Klingeberg präsentiert erste Ergebnisse des Kurzlehrgangs „Ich bastle mir einen Werbespot an der Schmerzgrenze“. Christian Günther bemerkt, er wünsche sich manchmal, ein Huhn zu sein, denn dann gäbe es ihn gar nicht. Und wie in der griechischen Tragödie tönt tief aus der Kulisse immer wieder der Chor: „Hansawelle für Sie“.

Radio Bremen ganz neu. Ganz anders. „Relaunchment“ nennt man das in der Werbung. Etwa so: „Milka Lila Pause jetzt auch als Herings-Crisp. Nur echt mit dem Gürkchen.“ Aber Radio Bremen hat nichts mit Gürkchen im Sinn. Es soll vermehrt zugehört werden. Dafür das alles.

Und man hört. Am Anfang ist die Angst: Ist Radiola noch da? Aha. Also jetzt auf dem Zweiten. Journal am Morgen? Gut. Wie gehabt. Schnack übern Gartenzaun? Jetzt im Ersten. Michael Augustin? Aufatmen: bleibt. Christian Günther? Please Mr. DJ? Oh. Christian Günther sendet jetzt am hellichten Wochentag. Sendet einfach so stundenlang daher, als ob das normal sei. Und man hat sich schon Sorgen gemacht.

Das Auf und Ab in der Fieberkurve vom Bremer Hörfunk ist leicht daran zu messsen, wie oft man Christian Günther hört. Derzeit hört man ihn schön oft. Der Herr Finke hat Geschmack.

Die Hansawelle trällert sich durch den Tag. Gegenüber den säuerlichen Krautwickeln von früher: flott, wirklich flott. Das kann man hören. Da drängen sich zwar immer noch einige Musiker aus der Goldkettchenklasse ins Programm - aber die gehören ja auch irgendwie zu Bremen. Und dazwischen ist das ganz besonders Bremische eingestreuselt. Bloß leider keine heißen Live-Sendungen aus dem Reichsbund mehr. Und was es Neues bei der Angestelltenkammer gibt, das muß man raten.

Der Freundeskreis Bernbacher kommt voll auf seine Kosten. Sinfonisches jetzt da, wo früher die Rentnerwelle war: Drei. Programm Vier ist nicht mehr so abgefahren wie früher, ein bißchen glattgestreamt, naja. Warum man bloß immer alles glattstreamen muß?

Man merkt: Die Leute haben sich Gedanken gemacht. Und wenn das Kriterium heißt: Hörer zurückholen, die auf privaten Kanälen fremdgedudelt haben, dann muß man zum angedeuteten Schulterklopfen ausholen. Wohlgemerkt: angedeutet. (Hier stand vorher: Aus Angst, daß es vbielleicht doch noch staubt.)

Aber. Da gibt es Sendungen wie die „Globale Dorfmusik“. Wie „Radiola“. Oder „Square Music Square“. Oder den Heimatfunk. Und überhaupt: Jazz. Bei allem, wofür man die bremischen Rundfunkleute manchmal kielholen möchte: Das sehen die Privatfunker ganz schlecht aus. Da rollen sie voll nach hinten ab. Was Radio Bremen täglich an musikalischen Schätzen in das Ländchen sendet, das bringen FFN und Antenne Sowieso an Qualität das ganze Jahr nicht zusammen. Damit braucht sich unse Hausfunk auch vor dem NDR nicht zu verstecken. Und von diesen Schätzen bringt Radio Bremen jetzt mehr als je zuvor.

Also: Man muß auch das Positive sehen. Es soll hier unerwähnt bleiben, daß der Rundfunkjournalismus mehr Möglichkeiten bietet als Korrespondentenberichte, vom Blatt gelesene Beschreibungen ergötzlicher Befindlichkeiten und Plauderstündchen bietet. Und daß das ganz besonders Bremische nicht nur so man eben eingestreuselt wird: das kann man sich ja zu Weihnachten wünschen. Lutz Wetzel