Machtvolle Großdemonstration?

■ SPD, FDP und Grüne wollen Demo, keiner meldet sie an; Gewerkschaften schweigen

Berlin. Wenige Tage nachdem in einer südfranzösischen Stadt ein jüdischer Friedhof zerstört wurde, fand in Paris eine der größten Demonstrationen der Nachkriegsgeschichte statt. Millionen gingen auf die Straße, um gegen Antisemitismus und Barbarei zu demonstrieren. In der ersten Reihe Francois Mitterand, neben ihm Vertreter aller demokratischen Parteien, Gewerkschaften, Kirchen. Das war vor zwei Jahren.

In Berlin, Hauptstadt und 30 Kilometer von Sachsenhausen entfernt, wird nicht gehandelt, sondern geredet. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion Ditmar Staffelt schlägt eine »Großdemonstration« vor, um ein Zeichen für Völkerverständigung, ein friedliches Zusammenleben mit ausländischen und jüdischen »Mitbürgern« zu setzen. Die SPD-Fraktion hat die Demonstration noch nicht angemeldet, noch ist das vorgeschlagene Ereignis nichts als das Signal, ‘uns gibt es auch noch‚. Carola von Braun, Landesvorsitzende der FDP, setzt noch eins drauf. Sie unterstützt nicht nur die guten Absichten für eine »Großdemonstration«, nein, sie hofft gar auf eine »machtvolle Großdemonstration«. Auch die FDP hat das Recht, auf die Straße zu gehen, noch nicht beim Polizeipräsidenten angemeldet. Auch nicht die Grünen, die Gewerkschaften und auch nicht die Kirchen, erst recht nicht die CDU oder der Senat von Berlin. Die Jüdische Gemeinde, die wahrhaftig diese Demonstration nicht anzumelden hat, schweigt über diese Beleidigung, die ihrer Ehre angetan wird.

Überparteilichen Widerstand zu zeigen wird der Provinz, den Anwohnern von Sachsenhausen und kleinen Privatinitiativen überlassen. In Oranienburg findet am Freitag um 18 Uhr eine Demonstration statt, und für Samstag, den 3. Oktober, hat das Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart (c/o Heimatmuseum Neukölln) alle HistorikerInnen, MitarbeiterInnen von Museen und Gedenkstätten und alle BerlinerInnen aufgerufen, sich um 11 Uhr in der Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen zu versammeln. Geklärt werden soll, wie endlich »mit den Anschlägen auf Asylbewerberheime und Gedenkstätten« Schluß gemacht werden kann. aku