Bezahlen müssen die Rechnung nur die Kleinen

■ Die italienische Währung flotiert frei und wird stündlich weniger wert — das trifft ItalienerInnen wie TouristInnen hart

Die Zeche zahlen, da sind sich ausnahmsweise alle einig, diesmal nur die Kleinen und sonst niemand: Die freie Fluktuation der italienischen Lira trifft alle, die entweder keine Exporttätigkeit ausüben, und das sind mehr als 90 Prozent aller Italiener, sowie diejenigen, die für den heimischen Markt produzieren und nun von stark verbilligten Angeboten aus dem Ausland konkurrenzunfähig gemacht werden.

„Im Grunde trifft es außer die Mozzarella-Hersteller die gesamte mittlere und kleine Industrie, das Handwerk, die Bauern“, klagt der Wirtschaftsverband Confcommercio. Doch auch die von der Lira- Abwertung eher gestützten Großfirmen wie Olivetti (High-Tech), Ferruzzi (Lebensmittel, Chemie und Pharmazie), Pirelli (Gummi und Kunststoff) und Fiat (Autos, Laster, Flugzeuge, Waffen und Maschinen) — dessen Chef Gianni Agnelli soeben in seinem Jahresbericht bestätigt hat, wie gut sich sein Trust gehalten hat — können ihre Arbeiter nicht sonderlich trösten. Der Verfall der nationalen Währung reißt von Tag zu Tag neue Riesenlöcher in die öffentlichen Haushalte, und die müssen gestopft werden. Die Regierung hat diesmal auch Luxussteuern wie noch nie eingeführt, um das Volk zu beruhigen — doch selbst Erstsemestler in Volkswirtschaft wissen, daß man damit nicht einmal ein Promille der mittlerweile von umgerechnet 40 auf 150 Milliarden Mark hochgeschnellten zusätzlichen Gelder auftreiben wird. So kommen tagtäglich neue Botschaften über Steuererhöhungen, Einführung weiterer Abgaben sowie weitgehende Kürzungen auch elementarer sozialer Leistungen auf die ItalienerInnen zu — von der faktischen Eliminierung der staatlichen Krankenkasse bis zur Aussetzung von Pensionierungen alter Menschen.

Allerdings spüren inzwischen nicht nur die Einheimischen die Folgen der freien Lira-Konvertierung und ihres Verfalls: Auch TouristInnen fliehen in Scharen, weil man alle paar Tage die Wechselschalter geschlossen, zumindest aber die zuständigen Computer wegen allzu großer Börsenhektik außer Betrieb findet. Und selbst wenn sie einmal funktionieren, sind auch in nebeneinanderliegenden Instituten kaum mehr nachprüfbare Kurse zu bekommen. Eine taz-Kurzrecherche in Rom hat bei insgesamt sieben im Umkreis von weniger als einem halben Kilometer liegenden Banken Wechselkurse zwischen 795 und 835 Lire pro Mark ergeben — eine Schwankung von gut fünf Prozent. Dazu greifen viele Banken zu einer geradezu unverschämt hohen Wechselgebühr — bis zu 12.000 Lire, umgerechnet 14 Mark selbst schon bei einem Tausch von nur 100 Mark. Da ist der Aufwertungseffekt ausländischer Währungen schnell dahin.

So bedeutet der Lira-Verfall für die ItalienerInnen nicht nur, daß ihr Geld stündlich weniger wert wird und sie dazu auch noch erhöhte Abgaben zahlen müssen — es bedeutet auch, daß all jene nicht mehr kommen oder abhauen, die wenigstens noch ein paar harte Märker, Franken oder Francs ins Land gebracht haben. Werner Raith