„Wir brauchen eine weise Antragskommission“

■ Der Abgeordnete Horst Peters zum Asyl-Sonderparteitag der SPD

taz: Herr Peter, im Parteivorstand hat sich Björn Engholm mit den Beschlüssen zur Änderung des Asylgrundrechts durchgesetzt. Wie sieht es im Parteirat aus?

Peter: Nach einem Prolog von zehn vorbestellten Rednern gibt es eine deutlich kontroverse Diskussion. Die Kontroverse in der Partei ist grundsätzlicher und emotionalisierter, als ich gedacht habe, und zwar auf allen Ebenen.

Der Frankfurter Kreis, dessen Sprecher Sie bis zum Wochenende waren, hat gesagt: Wir wollen den Parteitag gewinnen. Wie sehen Sie die Chancen im November?

Ich halte für sehr wahrscheinlich, daß sich auf dem Parteitag eine Position durchsetzt, die sagt: Individualrecht bewahren, Hände weg vom Artikel 16. Einfach deshalb, weil die Diskussion in den verschiedenen Parteigremien zeigt, daß dem Parteivorstandsbeschluß die Argumente für eine Mehrheit fehlen. Das zeigt sich im Beschluß des bayerischen Landesverbands oder auch im Bezirk Westliches Westfalen, wo der Bezirksvorsitzende Müntefing wohl keine Mehrheit hat. Was wir brauchen, ist eine weise Antragskommission, die die Sache so formuliert, daß das große Informationsdefizit, das in der Partei und in der Bevölkerung besteht, ausgeräumt werden kann.

Lafontaine ausgenommen, sagt auch die Parteiführung, das Individualrecht soll erhalten bleiben. Gibt es keine Brücke in dieser emotionalisierten Diskussion?

Die Diskussion ist emotionalisiert, weil es für einen großen Teil der Partei hier um eine Werteentscheidung geht. Außerdem gibt es eben die juristische Position, die besagt, daß der Wesensgehalt des Artikel 16 diese vier Worte sind. Diese vier Worte einzuschränken, heißt den Wesensgehalt verlassen. Der Artikel 16 könnte allenfalls in einer europarechtlichen Lösung aufgehoben werden, die den individuellen Zugang zum Verfahren und eine Beschwerdeinstanz vorsieht. Das ist aber etwas anderes als die Diskussion um Länderlisten.

Auf dem Parteitag heißt es also Pro oder Contra?

Es wird an dieser Stelle zu einer nicht aufhebbaren Entweder/ Oder-Entscheidung kommen. Wobei das, was Engholm sagt, daß nämlich das Individualrecht nicht abgetastet werden soll, die mehrheitsfähige Position sein müßte. Nur verträgt sich damit nicht die Veränderung von Artikel 16.

Die Parteiführung beruft sich mit ihrer Politik auf eine schwindende Akzeptanz in der Bevölkerung, die Gefahr einer Rechtsentwicklung.

In der Bevölkerung herrscht die Auffassung, das Asylrecht soll für die tatsächlich Verfolgten bewahrt werden, und um das zu gewährleisten, muß das Grundgesetz verändert werden. Das ist der gleiche Widerspruch, der auch im Parteivorstandsbeschluß steckt. Der kann nur aufgehoben werden durch eine Informationsoffensive. Dazu würde gehören, daß die Bundesregierung monatlich informiert, wer kommt, wer anerkannt wird, wer eine Aufenthaltserlaubnis hat, wer nach ausländerrechtlichen Bestimmungen geduldet wird und schließlich: Wer die Bundesrepublik verlassen mußte.

Das wäre auch Teil Ihres Parteitagsantrags?

Wir werden zwei über den PV hinausgehende Positionen einbringen. Einmal die Forderung nach diesem monatlichen Zuwanderungsbericht. Zweitens: Wir sagen, Armut sucht sich ihre Feindbilder. Deshalb wollen wir ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Armut, von Wohnungsnot und Dauerarbeitslosigkeit. Die Aggression gegenüber dem Feindbild, die darf gerade nicht bestärkt werden. Interview: Tissy Bruns