Drogenhelferinnen entsetzt über SPD

■ Sozialarbeiterinnen: Reines Verdrängungskonzept muß scheitern und bringt nur mehr Gewalt gegen die Frauen

„Im Sinne der Frauen dreht sich uns der Magen um!“ Die Mitarbeiterinnen des Vereins „Kommunale Drogenpolitik“ zeichnen für Bremen ein düsteres Bild, sollte der Beschluß der SPD-Fraktion zur Zerschlagung des Drogenstrichs in die Tat umgesetzt werden. Ihre Prognose: der Drogenstrich bleibt so oder so, aber die drogenabhängigen Prostituierten werden zu Freiwild, die einer zunehmenden Gewalt der Freier schutzlos ausgeliefert sein werden; die AIDS- Prophylaxe geht gegen Null und der Frauenknast füllt sich.

Nach Willen der SPD-Fraktion sollen parallel zu polizeilichen Maßnahmen gegen die drogenabhängigen Prostituierten die jetzigen Begleitangebote gestrichen werden. Die Betroffenen: Die nächtliche Anlaufstelle des Vereins „Kommunale Drogenpolitik“ in der Schmidtstraße und das Busprojekt der „Bremer Hilfe“ in der Friesenstraße. Beide bieten den Frauen eine Anlaufstelle und Beratung zur Gesundheitsvorsorge, Spritzentausch, Kondomvergabe und Wundversorgung, das Haus in der Schmidtstraße zusätzlich eine Notübernachtung, und etwas zu essen. „Die bremische Politik kann es sich überhaupt nicht leisten, auf so ein gutes sozialarbeiterisches Angebot zu verzichten“, findet Anke Teepken vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, Träger des „Gesundheitsfördernden Nachtangebotes“ in der Schmidtstraße.

Das geplante begleitende Methadon-Ausstiegsprogramm hält die „Kommunale Drogenpolitik“ für unzureichend: „Wenn jetzt 40 Frauen substituiert werden, haben wir in einem viertel Jahr eine neue Szene“, sagt Geschäftsführerin Sabine Michaelis. Nacht für Nacht werden in der Schmidtstraße etwa 40 Frauen betreut, in der Friesenstraße zwischen 30 und 50. Insgesamt gehen in Bremen etwa 240 Frauen auf den Drogenstrich, schätzt die „Kommunale Drogenpolitik“ — da reichten 40 Substitutionsplätze bei weitem nicht aus. Stattdessen forderte Michaelis Methadon für alle ausstiegswilligen Frauen — aber als Begleitprogramm, nicht als Alternative zu sonstigen Angeboten. „So, wie die Substitutionsplätze hier angeboten werden, ist das mehr eine ordnungspolitische als eine drogenpolitische Maßnahme“.

„Den Anwohnern ist mit den polizeilichen Maßnahmen auch überhaupt nicht geholfen“, sagt Anke Teepken: „Die Frauen werden nachts von der Polizei aufgegriffen, bekommen ein Bußgeld verhängt und werden wieder freigelassen.“ Konsequenz: Die Frauen müssen, um das Bußgeld zusammenzubekommen, noch mehr Freier machen. Im Wiederholungsfall droht dann wegen illegaler Prostitution Gefängnis — der Frauenknast füllt sich. Zudem wird der Wegfall von Rechtshilfe und Schutz der Prostituierten „unendliche Gewalt der Freier nach sich ziehen“, prophezeit Sabine Michaelis, und: „Die Frauen werden wieder Angst haben, die Freier anzuzeigen.“

Für den Innensenator Friedrich van Nispen ist mit dem SPD- Beschluß derweil nichts entschieden, der Senat habe auch nichts verschoben, betonte er gegenüber der taz: „Es war von vorneherein klar, daß wir Mitte Oktober beschließen.“ Von der Entscheidung der SPD-Fraktion habe er zunächst aus der Zeitung erfahren. „Ich bin nach wie vor von der Richtigkeit und Notwendigkeit eines Verlagerungskonzeptes überzeugt“. Von den Grünen hat hat van Nispen gerade vier Ersatzstandorte genannt bekommen, die geprüfe werden. „Die Grünen sagen, das Konzept des Innensators mit der Verlagerungstrategie ist richtig. Die SPD sagt ja nicht, das Konzeopt ist falsch, sie sagt nur, es ist politisch nicht durchsetzbar. Da muß ich als derjenige, der gemeinsam mit Frau Gaertner den Senatsauftrag abzuarbeiten hat, irgendwo zwischendurch. Und der Senat muß als Kollegial-Organ entscheiden.“

Entschieden wehrt sich van Nispen sich gegen die Vorstellung, die Polizei könnte das Drogenproblem lösen: „Da sind mehrere Fachdienste gefordert.“ skai