Gegensteuern

■ betr.: "Umfall aus Angst vor dem Faschismus", Interview mit NRW-Innenminister Schnoor, taz vom 28.9.92

betr.: „Umfall aus Angst vor dem Faschismus“, Interview mit NRW-Innenminister Schnoor,

taz vom 28.9.92

Dem Interview in der taz vom heutigen Tag muß ich entnehmen, daß nun auch Sie die Petersberger Wende in der Asylpolitik der SPD mitvollziehen. Ich möchte Ihnen auf diesem Wege sagen, daß ich darüber besonders enttäuscht bin.

Noch vor der Sommerpause haben sowohl der Ministerpräsident als auch Sie immer wieder versichert, einer Änderung des Grundgesetzes nicht zustimmen zu wollen, unter anderem weil dadurch nichts bewirkt werden könne. Das Argument für Ihren Sinneswandel ist nun, „daß große Teile der Bevölkerung mit der Politik nicht einverstanden sind“. Dies als Argument des Innenministers für die Begründung einer Verfassungsänderung? Wie oft hätten wir die Verfassung schon ändern müssen, wenn es nach Stimmungen in der Bevölkerung ginge!

Warum fragt die SPD, warum fragen Sie eigentlich nicht danach, woher diese Stimmung in der Bevölkerung kommt? Wieso versuchen Sie nicht gegenzusteuern? Thematisieren Sie die großen Probleme in der Bevölkerung: Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Angst vor Umweltzerstörung, und lassen Sie sich nicht von der CDU aufs Glatteis führen!

Bereits am 12.9.91 hat der damalige Generalsekretär Volker Rühe in einem Strategiepapier an alle Untergliederungen der CDU dazu aufgerufen, „die Asylpolitik zum Thema zu machen und die SPD dort herauszufordern, gegenüber den Bürgern zu begründen, warum sie sich gegen eine Änderung des Grundgesetzes sperrt — oder aber öffentlich die Bereitschaft zu bekunden, innerhalb der eigenen Partei für eine Änderung der bisherigen Politik einzutreten“. Herrn Rühe kann man nur gratulieren. Es ist ihm gelungen, die SPD vor sich hinzutreiben, bis er Sie alle so weit hat, wie er es wollte!

Warum haben Sie eigentlich nicht in der Bevölkerung für einen anderen, humaneren Weg in der Flüchtlingspolitik geworben? Warum gibt es keine Strategie der SPD gegen die des Herrn Rühe? Warum sind Sie alle abgetaucht, als gäbe es nicht den Einfluß der SPD auf die Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände? Hier überall sitzen Menschen, die zu gewinnen gewesen wären für eine offensive Gegenstrategie gegen die Parolen der CDU und der Rechtsradikalen.

Es ist noch nicht zu spät. Denn vom Votum der SPD im Bundestag hängt es entscheidend ab, wohin sich unsere Republik entwickelt. Ich bitte Sie, überdenken Sie Ihre Entscheidung noch einmal, bleiben Sie sich selbst treu, und setzen Sie sich dafür ein, daß die SPD auf dem Parteitag im November nicht Herrn Rühe endgültig die Führung überläßt! Beate Scheffler, MDL,

Fraktion Die Grünen,

Landtag Nordrhein-Westfalen