Ewig sprießen die Radieschen

■ Die Dauerserie „Marienhof“ startet heute, ARD, 17.35 Uhr

„Gibt's heut' keine Brötchen?“ Eine Frage, die für einen auf sein Frühstück wartenden Pensionsgast eigentlich durchaus nicht ungewöhnlich ist. Doch der Fragesteller ist eindeutig Schwarzer. Woran auch nichts weiter bemerkenswert wäre, handelte es sich nicht um einen Mitwirkenden in der ersten Folge von „Marienhof“. Jener ansonsten durchweg deutschen Vorabendserie, mit der die ARD ab sofort zweimal wöchentlich ZuschauerInnen und WerbekundInnen begeistern möchte.

Ob der schwarze Mann nun seine Brötchen noch bekommt, bleibt jedoch ebenso ungeklärt wie die Frage, welchem dramaturgischen Kalkül er überhaupt seinen Drei-Sekunden-Kurzauftritt verdankt. Sollte hier etwa schlicht der „Woche des ausländischen Mitbürgers“ Tribut gezollt werden?

Sei's drum, die betagte Pensionswirtin hat an diesem Morgen anderes als Brötchen im Sinn. Schließlich hat sie sich um ein Findelkind zu kümmern, das den ganzen „Marienhof“ in helle Aufregung versetzt. Der „Marienhof“, das soll nach dem Willen der Macher ein Viertel irgendeiner Kleinstadt irgendwo in (West-)Deutschland sein. Hier tummeln sich zwischen der „Erich-Kästner-Schule“, dem Cafe „Ortrud's“ und der „Gärtnerei Busch“ knapp 30 Hauptfiguren, die uns künftig an ihrem Glück und Unglück teilhaben lassen.

Im Zentrum des Geschehens, Gärtnersfamilie Busch, die gleich in der ersten Folge arg vom Schicksal gebeutelt wird. Am hauseigenen Tresor haben sich nächtens Diebe zu schaffen gemacht, und Sohn Marco ist, entgegen seiner Ankündigung, noch nicht vom Ersatzdienst zurück. Als der Sprößling endlich auftaucht und derart stürmisch begrüßt wird, als sei er für seine Gewissensentscheidung mit zweijähriger Verbannung bestraft worden, kommt gleich der nächste „Hammer“: Der Sohnemann verspürt keinerlei Lust, in den Familienbetrieb einzusteigen. Vater Busch verfällt darob in Gram, und auch Mutter hatte so gehofft, nun doch endlich mehr „zu sich selbst kommen“ zu können.

Von diesem Kaliber sind die Sorgen und Nöte, die die BewohnerInnen des Marienhofs so umtreiben. Zwar bleiben Minderjährige schon mal über Nacht dem Elternhaus fern, führt ein Immobilienhai Böses im Schilde und trägt Folge acht gar den Titel „Besuch aus der Bronx“ (sollte der Brötchen-Kunde etwa schon einmal die Lage sondiert haben?), aber im Prinzip ist die Welt im „Marienhof“ noch in Ordnung. So geht es denn nicht so penetrant „problemorientiert“ zu wie im unverkennbaren Vorbild „Lindenstraße“.

Was die Laufzeit ihrer Geschichten angeht, wollen die Marienhofer allerdings Beimers & Co. die Stirn bieten. Zwar sind zunächst „nur“ 104 Folgen fest geplant, aber im Prinzip sollen die Radieschen bei den Buschs bis zum Sankt Nimmerleinstag sprießen.

Wie lange Kioskbesitzer Poppel allerdings noch, wie in der ersten Folge, die taz auf seinem Zeitungsständer ganz oben plazieren kann (löblich, löblich), steht bekanntlich auf einem anderen Blatt. Reinhard Lüke