Murphys Orgasmus

■ „Boomerang“ — Eddie Murphys letzter Schrei

Der Mann hatte einmal ein Mundwerk wie eine Stalin-Orgel. In NBCs legendärer „Saturday Night Live Show“, in der alles verarscht wurde, was den Amerikanern heilig ist, also Präsidenten, Wohlfahrtsverbände, Sport- und Showidole und so weiter, war Eddie Murphy für die rassistischen und sexistischen Witze zuständig. Murphy, schwarz und sexy, wirkte so nervös wie eine Vegetarierin in einem Steakhaus, wenn er mit seinem Stakkato-Gequatsche pointiert die Koordinaten für seine respektlosen Angriffe festlegte. Bevorzugte Ziele waren sämtliche Minderheiten. Der 20jährige selbstbewußte Newcomer nutzte alle Vorurteile und schlug seine spitzen Zähne bevorzugt in Schwule, Frauen, Kinder und seine schwarzen Brüder. Da kam Freude auf. Das kam an. Hollywood wurde heiß. Der Durchbruch gelang dem Jungmimen mit der Rolle des Reggie Hammond in Walter Hills Action-Komödie „Nur 48 Stunden“. Unvergessen die Szene, in der Murphy als angeblicher Bulle eine Redneck-Bar aufmischt („Ich bin euer schlimmster Alptraum — ein Nigger mit Polizeimarke!“). Aber Hollywood mußte natürlich aufpassen und hatte daher seinen zukünftigen Star per Drehbuch das große Maul ordentlich mit Kernseife auswaschen lassen. Sprüche wie „Mann, ich war jahrelang im Knast, ich krieg' schon 'nen Ständer, wenn nur der Wind bläst“, waren das Härteste was der Kodderschnauze noch zugestanden wurde. So ging das ein paar Jahre weiter. Eddie Murphy wurde weltberühmt, fuhr die großen Dollarnoten mit der Schubkarre nach Hause, gründete eine Produktionsfirma, machte noch mehr Geld — und wurde immer langweiliger.

Nach einigen Flops und nach unzähligen One-Night-Stands wurde auch der schnelle Eddie ruhiger. Inzwischen ist er Vater geworden und fängt an rumzusülzen wo er früher nur draufgeschlagen hat: „Zum erstenmal im Leben habe ich Verantwortung für einen Menschen“, freut er sich und überläßt die provozierenden Geschmacklosigkeiten anderen. In seinem neuen Film „Boomerang“ spielt er zwar wieder einen lupenreinen Macho, doch diesmal einen „kultivierten“, einen Yuppie (auch so eine Spezies für die Eddie früher nur Spott und Hohn übrig hatte).

Eddie Murphy ist Marcus Graham, ein Werbemann in der Kosmetikbranche, er hält sich für kreativ und unwiderstehlich, wie das alle Reklame-Fuzzis tun. Pro Woche gebraucht er — ex und hopp — so zwei bis drei Frauen, zu mehr läßt ihm sein Job leider keine Zeit. Als seine Firma verkauft wird, geht er, vom Ekel nur leicht irritiert, mit der neuen schrumpeligen Besitzerin (völlig überzogen dargestellt von Eartha Kitt) in die Horizontale. Die Karriere rechtfertigt jedes Opfer. Die alte Dame setzt ihm als direkten Boß die feurige Jacqueline (Robin Givens) vor die Nase. Marcus versucht sofort eine Attacke zu reiten, die aber zunächst in einem Korb stecken bleibt, denn Jacqueline ist genauso karrieregeil wie er und benutzt das männliche Geschlecht nur zur Entspannung. Marcus verknallt sich sterblich. Wehmut wabert durch's Chauvi- Ego. Dann ist da noch das Top- Model der Firma, Strangé (very strange, Grace Jones) ein vulgärer männerfressender Vamp, die den jetzt regungslosen Marcus gerne als Dessert hätte. Die Mainade hat allerdings keine Chance, denn der arme Sexathlet ist inzwischen auf seine Art Directorin Angela (Halle Berry) aufmerksam geworden, und jetzt kommt endlich die wahre, kitschige Hollywood-Liebe zum Zug. Der alberne Film steckt voller flacher Witze und einiger guter Gags. Grinsemann Murphy erreicht seinen Höhepunkt, wenn er unter Robin Givens einen Orgasmus mimt. Dabei ist er fast, aber wirklich nur fast, so gut wie Meg Ryan mit ihrem atemberaubenden „kleinen Tod“ in „Harry und Sally“. Karl Wegmann

Reginald Hudlin: „Boomerang“, mit Eddie Murphy, Halle Berry, Eartha Kitt, Grace Jones u.a.; USA 1992; 118 Min.