Atomenergie: Ende des Prinzips Hoffnung

Die Länder Hessen und Niedersachsen legen Eckpunkte für ein Atomausstiegsgesetz vor — nun ist der Bundesrat am Zug, die Weichen zu stellen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) — Hessen und Niedersachsen wollen jetzt mit dem Ausstieg aus der Atomenergie ernst machen: Der hessische Umweltminister Joschka Fischer (Grüne) hat gestern in Wiesbaden einen Entschließungsantrag der beiden Länder vorgestellt, dessen Eckpunkte die Grundlage für ein Atomausstiegsgesetz werden sollen. Nur durch einen schnellstmöglichen und umfassenden Ausstieg aus der Atomenergienutzung, so Fischer, könne der Staat seine Pflicht erfüllen, die Bürgerinnen und Bürger vor den unzumutbaren Risiken kerntechnischer Anlagen zu schützen.

In dem Entschließungsantrag, den die beiden Länder umgehend im Bundesrat einbringen wollen, heißt es unmißverständlich, daß die Zweckbestimmung des Atomgesetzes geändert werden soll. Das Ziel: die Beendigung der Kernenergienutzung. Errichtungs- und Betriebsgenehmigungen für Atomanlagen sollen nicht mehr erteilt werden — ausgenommen sogenannte Konditionierungsanlagen, in denen der Atommüll für die Endlagerung vorbereitet wird.

Die Konditionierung, so Umweltminister Fischer, bleibe für einen gewissen Zeitraum notwendig, weil im Rahmen des Ausstiegsgesetzes selbstverständlich ein Verbot für die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen erlassen werden müsse. Man wolle die „Endlagerung ohne Wiederaufarbeitung“ erreichen. Deshalb müsse die Atomindustrie über ein Ausstiegsgesetz ebenfalls gezwungen werden, bereits bestehende Verträge mit Wiederaufbereitungsanlagen im Ausland zu kündigen. In diesem Zusammenhang seien auch Genehmigungen für den Einsatz von Brennelementen mit Plutonium unverzüglich zu widerrufen.

Die Kabinette der beiden Länder sprachen sich zudem gegen eine in Unionskreisen diskutierte Privatisierung der Endlagerung aus. „Wir brauchen keine Novellierung des Atomgesetzes, wir brauchen ein Ausstiegsgesetz“, sagte Fischer.

Nach den Vorstellungen der rot-grün regierten Länder Hessen und Niedersachsen soll der Bundesrat den Entschließungsantrag zügig verabschieden, damit danach „aus der Mitte dieses gesetzgebenden Gremiums heraus und orientiert an diesen Eckpunkten“ das Ausstiegsgesetz konzipiert werden könne. Noch, so Fischer, könne er sich nicht dazu äußern, ob auch die anderen SPD-regierten Bundesländer dem Entschließungsantrag zustimmen werden. Fischer erinnerte die Sozialdemokraten jedoch daran, daß der Ausstieg aus der Atomenergie nicht nur Beschlußlage bei den Grünen sei. Daß ein vom Bundesrat noch zu beschließendes Ausstiegsgesetz auf der Grundlage des vorgelegten Entschließungsantrags auch den Bundestag passieren muß, ist für den hessischen Umweltminister kein Grund, die politische Durchsetzbarkeit eines solchen Ausstiegsgesetzes pessimistisch zu beurteilen. „Erdrutschartige Veränderungen“ auf Bundesebene und in den Ländern würden sich bereits abzeichnen. Sollte es in Bonn zu einer großen Koalition kommen, so Fischer abschließend, würde ein vom Bundesrat verabschiedetes Ausstiegsgesetz einen „enormen Druck“ auf die dann Regierenden auslösen — „aber selbstverständlich würde es mit unserer Regierungsbeteiligung noch schneller gehen“.