Fotografieren ohne Kamera

■ Das Museum für Kunst und Gewerbe zeigt haltbare Möbel und Fotografie

und subjektive Fotografie

Fotografik ist nicht gleich Fotografie, und ein Kunsttischler ist kein Möbel-Designer. Der kleine Unterschied spielt in zwei Werkübersichten, die ab heute im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen sind, eine zentrale Rolle.

Der Bildhauer Erich Brüggemann möchte mit der Ausstellung seiner kunstgetischlerten Möbel ein Beispiel für die Möglichkeiten zeitgenössischen Kunsthandwerks geben, fernab von der üblichen Designer- Ästhetik, deren unfunktionale und kurzlebige Produkte er als „Designschrott" bezeichnet. Mit seiner handgeschreinerten Möbelkunst versuche er, die Einheit von Entwurf und Herstellung zu wahren, so Brüggemann, während heutzutage der Designer immer der Planer und Zeichner sei, und der Handwerker lediglich sein Knecht. Der gelernte Bild- und Orgelschnitzer hat sich seit 1978 zunehmend dem Möbelbau zugewandt, nachdem er dreißig Jahre als Restaurator und Denkmalpfleger tätig war. Seine kunstvoll ornamentierten und intarsierten Stühle, Sessel, Schreibtische und Schränke gehen auf Anregungen aus der islamischen und persischen Kunst zurück und lassen mit ihren farbigen und gemusterten Einlegearbeiten gar Anklänge an die Textilkunst aufkommen.

Nicht Rückbesinnung auf verlorengegangene Tradition, sondern der Emazipationsversuch von herkömmlichen Wahrnehmungsformen bestimmt dagegen das fotografische Werk Kilian Breiers, das unter dem Titel Fotografik 1953 bis 1990 ebenfalls ab heute zu sehen ist. Breier, Professor für Fotografie an der Hamburger Hochschule für bildende Künste, fotografiert ohne Kamera, und damit ohne die, so Breier, „optische Täuschung" vermeintlicher Realitätsabbildung. Seine Fotografik entsteht allein durch Licht und Chemie: Ob in seinen früheren Arbeiten, in denen er mit Fotogrammen - Schattenbildern von Gegenständen, die während der Belichtung auf dem Fotopapier liegen - dem Konzept der „subjektiven Fotografie" nachgeht, ob in seinen späteren Raster- und Strukturbildern, oder in rein chemigrafischen Schwarzweiß- und Farbexperimenten - immer ist es der Werkcharakter des Fotomaterials, der selber das Bild erzeugt. Auch den Faktor Zeit bezieht Breier anders in seine Werke mit ein, als es der gängigen Vorstellung von Fotografie entsprecht. Seine Bilder halten nicht Augenblicke fest, sondern verweigern vielmehr jede zeitliche Fixierbarkeit: Ihr Entwicklungsprozeß dauert auch im Museum noch an. Dorothea Schüler

„Kilian Breier - Fotografik 1953-1990" bis zum 3.1., „Erich Brüggemann - Möbel" bis zum 29.11.