Kurden als Exempel

Behörden machen ernst: Immer mehr Kurden in  ■ Abschiebehaft

Schneller abschieben, Patentrezept vieler Politiker gegen die „Asylbewerberflut“, traurige Wirklichkeit für die betroffenen Menschen. Hamburgs Behörden machen in diesen Tagen schon mal vor, wie's gehen kann. Seit der Senat am 10. September den Abschiebestopp für Kurden aufgehoben hat, wird an ihrem Beispiel vorexerziert, was auch Flüchtlinge aus anderen Ländern droht, in denen es nach offiziell-deutscher Amtsversion keine Verfolgung gibt.

Ein Beispiel: Sukrü Simsek. Seit 1986 lebt der Kurde in Deutschland, gestern wurde er festgenommen, als er bei der Ausländerbehörde einen Stempel holen wollte. Simsek, schon vor seiner Flucht einige Male wegen seiner politischen Tätigkeit in kurdischen Organisationen festgenommen, ist auch in Deutschland politisch aktiv gewesen. Wird der Familienvater abgeschoben, so sein Rechtsanwalt Michael Spielhoff, ist er in der Türkei „erheblich gefährdet“. Simsek sitzt jetzt in Abschiebehaft.

Wie ihm ergeht es seit dem 10. September immer mehr Kurden. Allein Rechtsanwältin Martina Zerling weiß von zehn Fällen, in denen Kurden nichtsahnend zur Ausländerbehörde gegangen sind und dort festgenommen wurden.

So weit ist es bei Nizamettin Kaya (20) noch nicht. Noch nicht ganz. Kaya macht zur Zeit eine Lehre zum Gas- und Wasserinstallateur in den Autonomen Jugendwerkstätten(AJW) in Rothenburgsort. Auch ihm droht die Abschiebung in die Türkei, die Wehrpflicht in der türkischen Armee und damit ein Leben als Soldat, der gegen sein eigenes Volk kämpfen muß. Verfolgung, im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist das nicht, aber menschenwürdig wohl auch nicht.

Kayas 100 Mit-Azubis wollen die Abschiebung ihres Kollegen nicht hinnehmen. Gestern organisierten sie eine Pressekonferenz, in der Rechtsanwalt Michael Böttcher schilderte, was mit abgeschobenen Asylbewerbern geschieht, wenn sie in der West-Türkei landen: „Die Kurden werden zu 99 Prozent schon am Flughafen in Istanbul festgenommen und verprügelt.“

Nizamettin Kaya würde es kaum anders ergehen, zumal er aktiv in der kurdischen Organisation Komkar politisch tätig ist. Doch sogenannte Nachfluchtgründe werden bei einem Asyl-Verfahren nicht anerkannt. „Sollte ich abgeschoben werden, bringe ich mich um“, kündigte gestern Nizamettin Kaya überaus glaubhaft an.

Zur Erinnerung: Die Kurden sind jenes Volk, das während der Verfolgung durch Saddam Hussein im Anschluß an den Golfkrieg auch in Deutschland so sehr bemitleidet wurde. Aber damals gab es ja auch West-Kameras vor Ort. gag/taz