Familie raus, Asylbewerber rein?

■ Wie die Bauernschaft Rechtenfelde berühmt wird mit einer sehr zweideutigen Geschichte

Familie raus, Asylbewerber rein?

Wie die Bauernschaft Rechtenfelde berühmt wird mit einer sehr zweideutigen Geschichte

So einen Fall hat Obergerichtsvollzieher Herbert Meyer* aus Vechta schon lange nicht mehr gehabt. Am kommenden Dienstag soll er eine Zwangsräumung des Amtsgerichtes Vechta in der Bauernschaft Rechtenfelde bei Visbek vollstrecken. Da will die Gemeinde eine Familie an die Luft setzen, um in deren Wohnung Asylbewerber unterzubringen. Doch so weit wird es nicht kommen: Die gleiche Gemeinde, die die Zwangsräumung beantragt hat, wird nach dem Obdachlosen- Polizeigesetz die Familie wieder in die Wohnung einweisen.

„Aber nur in einen Teil der Wohnung“, erklärte dazu Gemeindedirektor Bernd Hilling. Zwei der insgesamt fünf Zimmer in der 120 Quadratmeter großen Wohnung werden von der Gemeinde für die Unterbringung eines vietnamesischen Flüchtlingspärchens mit einem Kind requiriert.

Die Räumung mit anschließender Zwangseinweisung ist der vorläufige Höhepunkt eines Rechtsstreites, den die Gemeinde Visbek seit fast zwei Jahren mit der Familie Schmidt* führt.

Nach einem einstimmigen Ratsbeschluß hatte die Gemeinde Visbek im März 1990 das Haus mit zwei Wohnungen in Rechtenfelde für die Unterbringung von Asylbewerbern gekauft. „Wir sind zur Unterbringung dieser Leute verpflichtet“, sagt Gemeindedirektor Hilling.

Etwa 120 Asylbewerber zählt die 8.500-Seelen-Gemeinde bis heute. Familie Schmidt, die zum Zeitpunkt des Hausverkaufs bereits dort wohnte, hatte einen auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag mit dem Eigentümer abgeschlossen, der am 31.12.1991 auslief und von der Gemeinde nicht verlängert wurde.

Davon waren die Schmidts bereits im März 1990 unterrichtet worden, „so daß sie genügend Zeit hatten, sich eine neue Wohnung zu suchen“, sagt Hilling. Weil die Schmidts trotzdem nicht pünktlich auszogen, klagte die Gemeinde vor dem zuständigen Amtsgericht und erwirkte die Zwangsräumung.

„Die haben sich gar nicht erst um eine andere Wohnung bemüht“, so begründet der Gemeindedirektor den Rausschmiß der Familie. Sein Beweis: Noch im März diesen Jahres habe die Gemeinde der Familie eine andere Wohnung angeboten. Doch die Schmidts hätten abgelehnt.

„Weil das für uns eine Verschlechterung gewesen wäre“, erläutert Elisabeth Schmidt, die gerade ihr drittes Kind erwartet. Das von der Gemeinde angebotene Haus sei ein Vier-Familien-Haus gewesen, in dem drei Wohnungen bereits von Asylbewerber belegt seien. Außerdem sei sie als Ernährerin der Familie auf ihren fußweg- nahen Arbeitsplatz in einer Pilszucht in Rechtenfelde angewiesen. Drittens: „Die Wohnung war feucht und mit 80 Quadratmetern zu klein.“

Das Amtsgericht in Vechta ließ diese Gründe nicht gelten. Zwar seien für die Familie bestimmte Härtegründe anzuerkennen, heißt es in der richterlichen Entscheidung. Der Eigenbedarf der Gemeinde Visbek für die Unterbringung von Asylbewerbern stelle aber „ein die Kündigung rechtfertigendes Interesse“ dar.

Das Urteil ist rechtskräftig, eine Gegenklage der Schmidts wurde abgewiesen, der Streit geht weiter. Die Schmidts kolportieren, daß sie erst im letzten Monat als Wohnungsbewerber für eine große Wohnung in Visbek abgelehnt worden seien: Pikanterweise gehört das umworbene Mietobjekt dem Gemeindedirektor Hilling selbst. „Ich habe erst nachher von meinem Makler davon erfahren“, versichert der. „Die Wohnung war für die Schmidts außerdem viel zu groß und viel zu teuer.“ Hilling hatte 170 Quadratmeter zu einer Kaltmiete von 1.200 Mark angeboten.

Auch die Lokalprominenz hat bereits Partei ergriffen. „Wir stehen in dieser Sache voll hinter unserem Gemeindedirektor“, erklärte der Bürgermeister der Gemeinde, Heinrich Wempe (CDU). Die Christdemokraten halten hier satte 17 von 23 Sitzen.

Und auch die Opposition ist sich einig: „Die Familie tut mir leid, aber die Gemeinde hat das Haus extra für Asylbewerber gekauft“, erklärte der Sprecher der gemeinsamen Oppositions-Fraktion aus SPD und FDP, Georg Schilmöller.

Das Ende dieses Streites ist noch nicht absehbar. Juristisch ist Zwangspause bis Dienstag, dann will Schmidts Anwalt August Kruthaup weitere Schritte überlegen. „Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, mit welchem Bescheid der Gerichtsvollzieher auftaucht.“ Markus Daschner

*Die wirklichen Namen sind der Redaktion bekannt