Lachen, streiten, cruisen

Die Berliner Lesbenwoche wird an diesem Wochenende eröffnet  ■ von Klaudia Brunst

»LESBENLESBENLESBENLESBEN« steht auf dem Programmheft der diesjährigen Lesbenwoche, die mit diesen Endloslettern offenbar Einheit in der Vielfalt dokumentieren möchte, dafür aber das Zählen mittlerweile eingestellt hat. Denn nach der Chronologie vergangener Tage ist es die achte Veranstaltungswoche dieser Art, aber weil die Organisatorinnen seit Monaten alles daran setzten, das organisierte Chaos der vergangenen Herbste vergesssen zu machen, prangt auf der gut aufgemachten Hochglanzbroschüre schlicht »Berlin 92«.

Und zeitgemäß ist das Programm der Lesbenwoche in diesem Jahr allemal. Weg von den Multikulti-Einzelveranstaltungen wie »Warum ist es im Sub so cool?«, hat sich der im vergangenen Jahr gegründete Verein »Lesbenwoche e.V.« zu einem regelrechten Konzept aufgeschwungen: Kernpunkte des Gesamtprogramms sind in diesem Jahr die Themenfelder »Politik«, »Arbeitswelt« und »Abgrenzung«. Das ist zwar nicht eben originell, trifft aber die drängenden Probleme der meisten Lesben und ist als Startpunkt einer neu durchdachten Lesbenwoche durchaus passend.

Die Veranstaltungen sind hochkarätig besetzt: Im Themenfeld »Politik« versucht eine Podiumsdiskussion mit Haline Bendkowski, Anne Klein, Jutta Oesterle- Schwerin und Christina Schenk die alte, immer neue Frage zu klären, ob und wie sich Lesben in die männerdominierte Politik einmischen sollen (4.10., 17 Uhr in der TU), Ursula Sillge und Dagmar Rupp sprechen zu »Lesbenarbeit im Osten, einst und jetzt« (7.10., 17 Uhr in der Pumpe) und auch das Dauerthema »Europa« soll lesbisch diskutiert werden.

Der zweite wichtige Themenkomplex ist der »Arbeitswelt« gewidmet, einem Bereich, mit dem sich jede Lesbe früher oder später auseinandersetzen muß. »Wie sag' ich's meiner VorgesetzIn?« nennt Ingrid Klebon ihre Arbeitsgruppe für coming-out-willige Arbeitnehmerinnen, eine Podiumsdiskussion mit medienschaffenden Lesben wie Inge von Bönninghausen, Viola Roggenkamp oder Sabine Zurmühl will der Frage nachgehen, wie sich lesbische Identität in medienwirksame Arbeit umsetzen lassen kann (6.10., 19 Uhr in der Pumpe). Mit praktischen Tips für Bewerbungen, Existenzgründungen bis hin zu den passenden Versicherungen versucht die Lesbenwoche mit dem Themenkomplex »Arbeitswelt« vor allem diejenigen Lesben um die dreißig wieder zurückzugewinnen, die sich in den letzten Jahren von dem Joungster- Treff in Kreuzberg desinteressiert abgewendet hatten.

So gehört es nun auch zum Konzept der neuen Lesbenwoche, daß der Vortrag »Goldmarie oder Crashmarie — Sparbuch oder Aktien — welche Geldanlage ist für mich die richtige?« im Programmheft nur eine Seite vor der zentralen Podiumsdiskussion zum Thema »Auseinandersetzungsschwierigkeiten unter Frauen verschiedener Kulturen« angekündigt wird. »Rassismus« — ein ebenfalls wichtiges Thema, das angesichts der jüngsten Ereignisse wohl noch dringlicher diskutiert werden muß.

Über diese drei Themenschwerpunkte hinaus informiert die blaue Broschüre der Lesbenwoche — die in diesem Jahr erfreulicherweise in fast allen wichtigen Frauenprojekten zu haben ist — auf weiteren achtzig Seiten über kleine und große Veranstaltungen zu Themen von »Medien« bis »Menstruation«, von »Identität« bis »Homoalltag«. Natürlich sind auch hier wieder die altbewährten Veranstalterinnen mit ihren altbewährten Dauerthemen darunter: Eine Lesbenfilmwoche des Astas FU zeigt in gewohnter Qualität die neusten und besten Lesbenfilme, und für den Workshop »Orientalischer Tanz« muß bequeme Kleidung mitgebracht werden. Aber diese Vielfalt zeigt nun endlich auch Einheitlichkeit in dem Bemühen, an diesen Tagen Substantielleres zutage zu fördern als den alten Cruising- Kontakthof für Junglesben aus Hohenlohe.

Nun wird es in erster Linie darauf ankommen, wie sich die aus allen Teilen der Republik herbeiströmenden Lesben in die vielfältigen Angebote einklinken. »Kontroverse Diskussionen« wünschen sich die Veranstalterinnen, die das ihrige dazu beigetragen haben, den Organisationsgrad so hoch wie möglich, aber nur so schwerfällig wie nötig zu gestalten.

Die Lesbenwoche hat sich nach langem intellektuellen Sichtum in ihrem achten Jahr scheint's noch einmal kräftig aufgebäumt. Die Entscheidung, einen eingetragenen Verein zu gründen, ABM- Stellen zu beantragen und auf diese Weise eine kontinuierliche Arbeit zu gewährleisten, hat sich, angesichts der vielen interessanten Veranstaltungen, als richtig erwiesen. Nun muß sich zeigen, ob es in der sogenannten Szene wirklich den erwarteten Diskussions- und Auseinandersetzungbedarf gibt, ob die Vorgaben der Veranstalterinnen angenommen werden und ob es wirklich genuin lesbische Standpunkte zu den Schwerpunktthemen der diesjährigen Woche gibt. Denn vom 3. bis 11. Oktober wird nicht nur diskutiert, gelacht, gestritten und gecruist werden, sondern gleichzeitig wohl auch endgültig über die Daseinsberechtigung der Lesbenwoche entschieden. Denn sollte — wie in den vergangenen Jahren — das Eröffnungsfest dann doch bereits der Höhepunkt in der Publikumsgunst der Kurzhaarlesben gewesen sein, müßte in diesem Herbst womöglich doch noch ernsthaft darüber nachgedacht werden, wer diese aufwendig organisierte Lesbenwoche eigentlich braucht.

Die Berliner LesbenWoche vom 3.-11.10. in der Skalitzer Straße 55/56. Wochenbeitrag für alle Veranstaltungen: 70 DM (erm. 50 DM), Tagesbeitrag 15 DM (10). Heute steigen zwei Eröffnungsparties im SO 36 und im Ballhaus Naunynstraße.