Gesungene Langeweile

■ »Schmetterlinge sind frei« im Kama-Theater

»Richtig blind, nicht bloß kurzsichtig« ist Tom Beck, der wackere Held aus dem Broadway-Theatererfolg »Butterflies are free«. 1969 ließ sich Leonhard Gershe von der zufälligen Begegnung mit einem jungen lebensfrohen Blinden zu einer zeitkritischen Komödie inspirieren, deren Grundtenor »Das Problem ist nicht die Blindheit der Blinden, sondern die der Sehenden« in seiner Zeit durchaus einen Platz hatte. Das Kama-Theater ließ sich nun — zwanzig Jahre später und etliche Sensibilisierungseinheiten weiter — von der rührseligen Geschichte des »blinden Tommy aus der Dunkelheit« zu einer musikalischen Adaption des Stoffes anregen.

Unter dem Titel »Schmetterlinge sind frei« wird noch einmal die romantische Liebesgeschichte zwischen dem ernsten jungen Mann und seiner flippigen, sorglosen Nachbarin erzählt, die mit all ihrer Spontaneität und Hilfsbereitschaft am Ende in Toms Herzen mehr Schmerz anrichtet, als ihr lieb ist. Eine unglückliche Liebesgeschichte mit melancholischem Ausgang; ein überholtes, rührseliges Stück theatraler Zeitgeschichte, das auch durch die musikalische Bearbeitung aus dem sonst so erfolgreichen Hause Kama nicht wirklich an Aktualität gewinnen kann.

Ursprünglich sollte ein Potpourri aus alten Grönemeyer- Stücken die Sache versüßen, aber »Mr.Bochum« wollte sich mit den »Schmetterlingen« partout nicht gemein machen. Selbst dann nicht, als sich Kama-Leiterin Katja Nottke »beeindruckt von Grönemeyers bildhafter Sprache zeigte«. So mußte recht kurzfristig ein neuer Kompositeur gefunden werden, und es traf sich, daß ausgerechnet der Deutschrock-Indianer Pete Wyoming Bender einen Stapel Lieder in der Tasche hatte, die genau das besangen, was das Stück zu sagen hat.

Leider ist es nicht viel. Textzeilen wie »Die Liebe macht mich grenzenlos, laß mich niemals — nie wieder los« werden eben nicht besser, wenn sie aus dem Herzen eines blinden Don Juan fließen — nicht einmal, wenn dieser Claudio Maniscalco heißt und zugegebenerweise die Rolle des Tom Beck hervorragend verkörpert. Auch Anna Bolk gibt ihre flatterige Jenny so authentisch, wie es nur geht. Es liegt weder an den Darstellern, noch an der Regie von Katja Nottke, daß die »Schmetterlinge« zu den längsten zwei Stunden wurden, die ich je im Kama-Theater erlebt habe. Das Stück ist eben einfach fad, und nur weil man Langeweile singt, wird sie nicht gleich erträglicher. Klaudia Brunst

»Schmetterlinge sind frei«, 2.-4.10., 20.10.-1.11, 15.11.-20.12, täglich außer montags im Kama, Schwiebusser Straße, Ecke Friesenstraße, Kreuzberg