Doppelte Verwurzelung

■ »Keskus« — Finnische Kunst im Haus am Kleistpark

Manchmal verschwindet er tagelang in den Wäldern. Und kommt mit Armen voller Äste, Zweige und Wurzeln zurück, die er in mühsamer Bastelarbeit zu filigranen, abstrakten Gebilden verarbeitet. Mit Draht und Faden zusammengebunden, bemalt oder mit Pigment überzogen, erinnern sie an embryonale Formen, an Insekten und Schneckengehäuse, an pflanzliche Gespinste. Ihr Hersteller heißt Tuomo Blomqvist und gehört zu den vier finnischen und zwei deutschen KünstlerInnen, die noch bis zum 4. Oktober im Haus am Kleistpark zu sehen sind.

Den äußeren Anlaß für die Ausstellung lieferte das 75jährige Bestehen des finnischen Staates; zustande kam sie aber durch die Privatinitiative des Berliner Künstlers Knut Werner-Rosen. Als passionierter Finnlandfahrer mit Kontakten zur dortigen Kunstszene mußte er nicht lange überredet werden. Und er erzählt, daß sich der Ausstellungstitel »Keskus«, das finnische Wort für Mitte, in den Gesprächen mit den Künstlern ganz von selbst ergeben habe. Gemeint ist eine doppelte Verwurzelung: inmitten der finnischen Natur und in der aktuellen Kunst Mitteleuropas.

Auf die Gefahr hin, daß es rührend klingt: eine wirklich schöne Ausstellung. Drei helle Räume, in denen weder die Werke noch ihre BetrachterInnen verlorengehen. Und die Natur stellt nicht nur den Bezugspunkt dar, sie liefert das Material, sie ist Fundort, Ideenreservoir und visueller Horizont.

Knut Werner-Rosens kleine »Puzzle«-Bilder aus bemalter Birkenrinde bündeln diesen Eindruck, licht und leicht wie ihr Titel: finnischer Sommer eben. Dagegen wirken die Bilder von Raimo Reinikainen, der deutlich von Delaunay, Klee und Kandinsky beeinflußt wurde, ein wenig bieder-traditionell und in der Zusammenstellung fremd. Das kann man den voluminösen Frauenkörpern Ulla Virtas nicht nachsagen. Ihre überdimensionalen Holzschnitte vereinbaren Härte mit Verletzbarkeit, fließende Oberflächen mit scharf konturierten Formen: Wald- und Wassergöttinnen mit Kratzspuren.

Daß die Natur auch anders als im Rückgriff auf die Landschaftsmalerei aufgefaßt werden kann, zeigen die Arbeiten Veikko Hirvimäkis. Eine imaginäre Archäologie unternehmen diese Skulpturen-Ensembles aus Holz, Granit, Leinengarn und anderen Materialien, eine Spurensuche im Bereich zwischen Schamanismus der Lappen, nordischer Mythologie und klassischen Kulturen.

Von der Berliner Karla Sachse stammt die einzige wirkliche Konzept-Arbeit, eine Mischung aus seriellen Text-, Bild- und Readymade-Elementen. Auch hier der Bezug zur (finnischen) Natur: als Sehnsucht. Oder besser und mit einem ironischen Zungenschlag gesagt: als Seen-Sucht. 100 blaue Bilder-Seen, 100 Buchstaben, die einen Text ergeben. Und 100 Kaffeebecher aus Pappe, in denen das (See-)Wasser längst verdunstet ist. Thomas Fechner-Smarsly

»Keskus — Mitte. Finnland — Berlin.« Haus am Kleistpark, Grunewaldstraße 6-7, geöffnet Di.-So., 12-18 Uhr. Katalog 10 DM. Nur noch bis Sonntag.