: Expansionsdrang der Blütenvermarkter
Bebauungsplan der Bodenseeinsel Mainau: Landschaftsverbrauch statt Landschaftsschutz. Trotz ökologischer Bekenntnisse forciert das Mainau-Unternehmen den gnadenlosen touristischen Ausbau ■ Von Werner Allweiss
Festreden und zufriedenes Schulterklopfen sind derzeit angesagt auf der Mainau. Das Touristikunternehmen hat wieder einmal einen Anlaß zum Jubeln entdeckt. Diesmal ist es das angeblich sechzigjährige Betriebsjubiläum des inzwischen aus der Firmenleitung ausgeschiedenen Seniorchefs. Und wieder einmal mehr werden Bekenntnisse zum Umweltschutz und zur ökologischen Verantwortung in üppigen Mengen produziert. Die Wirklichkeit sieht anders aus?
Seit Jahren ist die Mainau das Hauptziel des Massentourismus am Bodensee. Es wird jährlich von etwa zwei Millionen Besuchern aufgesucht. Zwischen vierzig und fünfzig Prozent der Besucher steuern die Blumeninsel mit dem eigenen Auto an. Für diese Besucherlawine wurden in den letzten Jahren eine neue Straßenschneise geschlagen und Waldflächen zur Anlage neuer Parkplätze geopfert. Trotz alledem: An den sogenannten Mainauer „Hauptkampftagen“ sind die Zufahrtsstraßen hoffnungslos überlastet, die Besucher quälen sich im schweißtreibenden Stop-and-Go-Verkehr, die Anwohner sind unerträglichen Lärm- und Abgasbelastungen ausgesetzt, und auf der Insel herrscht ein beängstigendes Gedränge vor Beeten und Theken. Die Ankündigung, daß der Ausbau vom Saison- zum Ganzjahresbetrieb zu einer Verkehrsentlastung in den Sommermonaten führen soll, bleibt — solange keine Lenkungsmaßnahmen ergriffen werden — ein leicht durchschaubares Beschwichtigungsmanöver.
Eigentlich ist die Mainau schon seit 1957 als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen, in dem alle Handlungen, die den Charakter des Gebietes verändern (z.B. Neubauten) untersagt sind. Eigentlich sollte der mahnende Appell zum Schutz der Natur, wie er in der „Grünen Charta von Mainau“ 1961 formuliert wurde, auch für die Mainau selbst Verpflichtung und Maßstab sein. Doch ein profitorientiertes Unternehmen (Umsatz 1991: 40 Millionen DM) gehorcht anderen Gesetzen.
Um das Vermarktungspotential der Blüteninsel GmbH zu verbessern und den Umsatz pro Besucher zu steigern, haben die Mainaustrategen einiges vor. Im gegenwärtig laufenden Bebauungsplanverfahren wurden die Ausbaupläne offengelegt. Da der bestehende Status des Landschaftsschutzgebietes den Expansionsdrang der Blütenvermarkter hemmt, soll nahezu ein Drittel des Plangebietes aus dem Landschaftsschutzgebiet ausgegliedert werden; was bleibt, ist ein durchlöchertes Landschaftsschutzgebiet, ein aus ökonomischen Zwängen gestylter Flickenteppich. Auf der Insel ist eine Veranstaltungshalle für bis zu tausend Personen geplant, ursprünglich auch der Neubau eines Parkdecks. Des weiteren planen die Mainau-Manager den Neubau eines Verwaltungsgebäudes auf der Insel, den Bau von Betriebswohnungen sowie die Erweiterung der Gastronomie. Neue Attraktionen wie „Exotikschauhäuser“ und ein ganzjähriger Veranstaltungsreigen sollen die Touristen auch während der vegetationsarmen Zeit auf die Insel locken. Mehrere tausend Quadratmeter Fläche sollen zusätzlich überbaut werden. Die Vermarktung der Blumeninsel geht unerbittlich weiter. Disneyland läßt grüßen.
Der Bebauungsplan eröffnete die Chance, im vorliegenden Zielkonflikt zwischen den Interessen derer, die am Massentourismus verdienen, und den Interessen derer, die unter dem Massentourismus leiden, zugunsten letzterer zu entscheiden. Dies wäre letztlich ganz im Sinne der hauseigenen Mainau-Philosophie, wonach auch wirtschaftliche Konsequenzen zu ziehen sind, „wenn es ökologische Gesichtspunkte erfordern“ (Mainau 2000. Unternehmensziele der Blumeninsel Mainau GmbH. 1991).
Doch leider wird das vor dem Abschluß stehende Bebauungsplanverfahren keine Kursänderung in Richtung Rückgewinnung der Natur und Verringerung des harten Massentourismus bringen. Eine drastische Reduzierung der Pkw-Stellplätze um ein Drittel auf maximal tausend Plätze bei gleichzeitiger Renaturierung der freiwerdenden Fläche, wie von den Grünen beantragt, wäre das Signal einer notwendigen Kehrtwendung gewesen. Doch die Mehrheit des Konstanzer Gemeinderats lehnte ab, obwohl durch den Verkehr die Belastungsgrenze für die hier wohnenden Menschen und für die Natur (hohe Ozonwerte!) überschritten sind und die Stadtwerke Konstanz noch in diesem Jahr eine zusätzliche Buslinie zur Mainau anbieten werden.
Eine auf Massentourismus fixierte Stadtverwaltung und Gemeinderatsmehrheit sind bereit, für große Teile der Mainau den Schutzstatus eines Landschaftsschutzgebietes aufzuheben, um — wenn auch nicht allen, so doch möglichst vielen — Expansionsträumen der Mainau-Manager zur Realität zu verhelfen. Der treffende Werbeslogan der Zukunft könnte lauten: Genießen Sie in Ruhe die Blütenpracht — Tausende werden Ihnen folgen!
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