Frankreich: Militante „Lebensschützer“ verurteilt

■ Sie hatten eine Frauenklinik in Pau überfallen/ Behinderung von Abtreibungen soll strafbar werden

Paris (taz) — In Frankreich sind zum ersten Mal militante Abtreibungsgegner vor Gericht gestellt und bestraft worden. Ein Gericht in der südfranzösischen Stadt Pau hat zwei Männer und zwei Frauen zu vier Monaten Gefängnis auf Bewährung und 900 Mark Geldstrafe verurteilt. Die vier waren zusammen mit rund 20 weiteren Abtreibungsgegnern Anfang Mai in eine Frauenklinik eingedrungen.

Die „Lebensschützer“ bedrängten ein Paar, das die Formulare für eine Abtreibung ausfüllte, öffneten die Türen zu mehreren Krankenzimmern, beschmutzten das Besteck im Operationssaal und ketteten sich am Behandlungsstuhl fest. Als Tatbestand nannte das Gericht „Hausfriedensbruch“.

Die Staatssekretärin für Frauenrechte, Veronique Neiertz, will noch im Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen, der den Umweg über das Delikt Hausfriedensbruch unnötig macht und den Versuch, eine Abtreibung zu verhindern, für strafbar erklärt.

Bei dem Prozeß in Pau blieb unklar, wer hinter der Aktion stand. Die vier Verurteilten — drei StudentInnen und ein Matrose im Alter zwischen 23 und 30 Jahren — erklärten, sie hätten auf eigene Initiative gehandelt. An der Kommandoaktion hatte auch der Gründer der Organisation „La Treve de Dieu“ (Frieden Gottes), Thierry Lefevre, teilgenommen; er wurde jedoch nicht angeklagt. Der katholisch-integristische Verein kopiert die Methoden des US-amerikanischen Vereins „Rescue“ und steckt hinter den meisten Überfällen auf gynäkologische Kliniken in Frankreich. In den vergangenen Monaten hatte es rund 30 derartige Aktionen gegeben, von denen zuvor keine gerichtlich verfolgt worden war. Während der Verhandlung demonstrierte der Verein.

Daß die militanten Abtreibungsgegner endlich vor Gericht gestellt wurden, ist einer Initiative des Justizministeriums zu verdanken. Die betroffenen Frauen hatten zuvor meistens auf eine Anklage verzichtet, um sich das quälende Gerichtsverfahren zu ersparen. Nachdem die Überfälle und infolge dessen die Proteste von Frauenrechtlerinnen zugenommen hatten, wies das Ministerium im April alle Staatsanwaltschaften an, die Überfälle der Kommandos zu ahnden.

Im Fall einer anderen Aktion, die Ende Mai gegen Frauen in der Universitätsklinik in Bordeaux verübt wurde, wird derzeit ermittelt. Seit der Anklageerhebung in Pau gab es keine Kommandoaktion mehr. Drei der Täter, die sich selbst als „Retter“ bezeichnet hatten, stammten aus adligen Familien und hatten zuvor einen astreinen Lebenslauf — durch das Urteil steht fest, daß sie sich außerhalb des Gesetzes begeben haben. Bettina Kaps