Ostsanierung durch Westfirmen

Mangelndes Vertrauen und Briefkastenfirmen machen Ost-Umwelttechnikunternehmen zu schaffen  ■ Aus Erfurt Hermann-Josef Tenhagen

Die Milliarden aus öffentlichen Töpfen für Umwelttechnik sind da, aber Unternehmen aus den neuen Bundesländern tun sich schwer, daraus zu schöpfen. Managementfehler, technischer Rückstand und die alten Beziehungen der neuen (westlichen) Entscheidungsträger zu Westkonzernen macht den Firmen aus den fünf neuen Bundesländern selbst in der Heimat das Öko-Leben schwer.

Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) verkündete bei der Eröffnung der Fachmesse Umwelttechnik CUT'92 in Erfurt, daß die Bundesregierung im kommenden Jahr 1,5 Milliarden Mark für die Sanierung der Braunkohlenaltlasten in den fünf neuen Ländern zur Verfügung stellen werde. Saniert werden soll damit auch die mit mehreren hunderttausend Tonnen Teermaterial verfüllte Braunkohlengrube „Neue Sorge“ Rositz, eines der Thüringer Altlasten-Sorgenkinder. Neue Schritte, wie das Geld für den Osten auch zu den Firmen im Osten gelangen kann, blieb der Bonner Gast allerdings schuldig.

Roland Benz von der Industrie Anlagenbau (IAB) in Leipzig hat traurige Erfahrungen gemacht. „Man traut uns keine Kompetenz zu“, klagt der Ingenieur. Das habe sicher zum einen damit zu tun, daß den neuen Namen seiner Firma im Gegensatz zum Westkonkurrenten Lurgi niemand kenne. Der Vorwende-Name „Chemieanlagenbau Leipzig/Grimma“ sei eingeführt gewesen, aber durch Umstrukturierungen nun verloren. Zum anderen mache aber auch die „Zeitenwende“ seiner Firma auf eine ganz spezielle Weise zu schaffen. Wenn da ein Bürgermeister mit einem Auftrag in der Tasche ankomme und frage, „zeig mir doch mal deine kommunale Kläranlage, dann muß ich einfach passen.“ Und in vielen Ausschreibungsunterlagen seien „Referenzanlagen der letzten drei Jahre“ nun mal Bedingung.

Ähnliche Erfahrungen hat auch S. Ambrosius von Sket-Maschinenbau-Ableger in Dessau gemacht. Die Firma hat zwar ihren Namen behalten, aber „die großen Happen gehen an große Westfirmen wie Thyssen oder Lurgi“. Die hätten einfach einen Know-how- Vorsprung, räumt Ambrosius ein. Außerdem böten sie Kommunen und Auftraggebern aus der Wirtschaft Finanzierungsbedingungen, „die Ostfirmen häufig nicht leisten können“.

Weil es mit den Aufträgen als Generalunternehmer auch auf der Öko-Schiene nicht recht klappt, haben sich ehemalige DDR-Großunternehmen wie Sket auf die Sammlung vieler kleiner Aufträge als Subunternehmer verlegt. Ambrosius' Kollege Klaus-Dieter Tschampel von der Sket Entstaubungstechnik gesteht ganz offen: „Das große Auftragsvolumen machen wir als Subunternehmer.“ Dort griffen dann auch gesetzliche Schutzmechanismen wie Präferenzrichtlinien und politische Vorgaben aus den Landesregierungen.

Nach diesen schon in der alten Bundesrepublik gültigen Richtlinien können bei öffentlichen Aufträgen regionale Firmen bevorzugt werden, auch wenn sie geringfügig teurer sind. Hartmut Sieckmann, Thüringens CDU-Umweltminister, bekennt sich ganz offen zu dieser Praxis. Bei der Sanierung militärischer Altlasten in Thüringen habe man dem westlichen Generalunternehmen, der bundeseigenen Industrie-Anlagen-Beteiligungs-Gesellschaft (IABG) aus Ottobrunn bei München, nahegelegt, 80 Prozent der Arbeit nach Thüringen zu vergeben. „Die IABG hat eine Liste bekommen, welche Unternehmen für solche Gutachten in Frage kommen.“ Die nächsten Großprojekte warten schon: Mindestens 1,2 bis 1,4 Milliarden Mark muß Sieckmann in den kommenden Jahren für die Sanierung in Rositz ausgegen, milliardenschwer ist auch die Sanierung der Thüringer Kali-Industrie und der Uranaltlasten der Wismut in Thüringen.

„Die eigene Umwelttechnik reicht bestimmt nicht aus“, muß der CDU-Mann aber einräumen. Das Münchener Ifo-Institut hatte im Frühjahr mangelnde technische und administrative Möglichkeiten in den neuen Ländern als Haupthindernis einer schnellen Sanierung der Umwelt ausgemacht. Die Sanierungskosten schätzten die Münchener Wirtschaftswissenschaftler damals auf über 200 Milliarden Mark. Selbst im Verein mit den Umweltreparateuren in den neuen Ländern sei das in zehn Jahren kaum zu schaffen. Sieckman rückt deutlich von den Versprechungen der Bundesregierung ab: „Wir werden auf keinen Fall im Jahre 2.000 alle Sanierungsfälle aufgearbeitet haben. Wir werden aber dann die Konzepte und Anlagen haben.“

Sonn- und Feiertagsreden ihres Ministers reichen den Unternehmern vor Ort in Thüringen natürlich nicht. Vertreter einzelner Industrie- und Handelskammern klagten in Erfurt beredt, daß Präferenzregelungen und Vorgaben bei Subunternehmen erstens nur unzureichend kontrolliert würden. Zweitens hätten inzwischen viele Westunternehmen im Osten eine „Briefkastenfirma“ aufgemacht, um von dem Kuchen abzuschneiden.

Präferenzregelungen und eine politisch steuernde Auftragsvergabe, wie sie das Töpfer-Ministerium im eigenen Hause zu praktizieren versucht, sind ein erster Schritt in eine Gegenrichtung. Da eine deutlichere Bevorzugung von Ostunternehmen politisch derzeit nicht durchsetzbar scheint, ist aber auch Kreativität gefragt. Leuchtendes Beispiel, so ein Unternehmensvertreter, sei da die Verwaltung des brandenburgischen Umweltministers Mathias Platzeck (Bündnis 90). Die Potsdamer Beamten hätten zu einem einfachen Trick gegriffen. Projekte würden nur noch in den Regionalzeitungen ausgeschrieben. Westliche Abstauber und Briefkastenfirmen bleiben so von vornherein außen vor.