Allianz — ein Netz fürs Leben

Ungestört von kritischen Kartellwächtern findet heute die Hauptversammlung des vielfältig verflochtenen Versicherungskonzerns statt  ■ Von Donata Riedel

Berlin (taz) — Henning Schulte-Noelle sollte eigentlich einen Dankesbrief ans Bundeskartellamt schicken. Besser nämlich hätte das Timing für den Allianz-Vorstandschef nicht sein können: Am Dienstag billigten die Wettbewerbshüter die von 10 auf 25 Prozent erhöhte Beteiligung des Versicherungsriesen am zweitgrößten deutschen Geldinstitut Dresdner Bank (die wiederum 10 Prozent der Allianz-Aktien hält). Heute, auf seiner ersten Hauptversammlung als Vorstandsvorsitzender, kann Schulte-Noelle den Aktionären immerhin die Lösung dieses Problems melden — und möglicherweise ein wenig die Aufmerksamkeit der Allianz-Eigentümer vom nicht gerade glänzenden Geschäftsjahr 1991 ablenken.

Denn in ihrem eigentlichen Geschäft mit Versicherungen rutschte Europas größter Versicherungskonzern tief ins Minus: 1,78 Milliarden Mark Fehlbetrag lautet das versicherungstechnische Ergebnis — obwohl sie mit 48,7 Mrd. Mark um 27,3 Prozent mehr an Prämien einsacken konnte als 1990. Schulte-Noelles Eröffnungsrede wird daher häufiger das Wort „Konsolidierung“ enthalten, was im Klartext den Abbau von einigen hundert Arbeitsplätzen in Frankreich und Italien bedeuten wird. Allerdings: Das Vermögen der Allianz — sie verwaltet für ihre Versicherungsnehmer 160 Milliarden Mark, verfügt dazu über Eigenkapital von 14 Mrd. Mark (ohne stille Reserven) — brachte nach Steuern immer noch einen Gewinn von einer Milliarde Mark ein.

Daß das Bundeskartellamt seine Einsprüche gegen die Verflechtung der Versicherung mit der Dresdner Bank zurückgezogen hat, ist jedoch keinesfalls das alleinige Verdienst des neuen Allianz- Chefs. Die Wettbewerbsprüfer können immer nur dann Einspruch erheben, wenn ein Konzern durch die Beteiligung an einem anderen eine „marktbeherrschende Stellung“ erlangt. Und das ist im Fall Allianz/Dresdner nicht mehr der Fall, seit der Allianz in den vergangen Monaten zwei ebenbürtige Konkurrenz-Geflechte entgegengetreten sind: Die Deutsche Bank kaufte sich 30 Prozent vom Gerling-Konzern und die Mehrheit des Deutschen Herold. Und der französische Versicherungskonzern AGF schaffte den Einstieg bei der Aachen und Münchner Beteiligungsgesellschaft (AMB). Im lukrativen Bereich Lebensversicherungen sei damit Wettbewerb gewährleistet, so Kartellamtssprecher Hubertus Schön.

Die Allianz hatte zuvor als friedenstiftende Maßnahme gegenüber der Kartellbehörde ihre Beteiligungen neu geordnet: Die Mehrheiten an der Hamburg- Mannheimer Leben, der Karlsruher und der Berlinischen Leben gab sie an ihre Schwester Münchner Rück ab — Allianz und Münchner Rück halten gegenseitig je 25 Prozent ihrer Aktien. Im Tausch bekam die Allianz dafür eine 51-Prozent-Mehrheit bei der Deutschen Krankenversicherung DKV.

Unterm Strich steht die Allianz damit besser da als zuvor: Mit den in der Branche als nicht gerade zimperlich geltenden Vertretern der Hamburg-Mannheimer war man bei der auf ihren seriösen Ruf bedachten Allianz dem Vernehmen nach ohnehin nicht zufrieden, weshalb sich die Trauer um diesen Beteiligungsverlust in Grenzen halten dürfte. Der Ersatz, die DKV als private Krankenversicherung für aufstrebende junge Angestellte, soll — wie es heißt — viel besser ins Konzept „Versicherung rund um den Menschen“ passen.

Die zwei Allfinanz-Konglomerate Allianz und Deutsche Bank können sich nun bestenfalls gegenseitig Konkurrenz machen. Daß das nicht zu ernsthaft passieren wird, dafür dürften die Herren an den Schalthebeln beider Konglomerate sorgen, die heute als Aufsichtsräte der Allianz-Hauptversammlung vorsitzen werden. Neben Dresdner-Bank-Vorstandschef Wolfgang Röller sitzen auf dem Podium außerdem Wilfried Guth, Aufsichtsrat der Deutschen Bank, und Daimler-Chef Edzard Reuter, an dessen Konzern die Deutsche Bank (mit 28 Prozent) ebenfalls beteiligt ist.