Bonn-Apart
: Zehn Jahre Kohl - ein Grund zum Feiern

■ Alle sprechen über Kohl - keiner über zehn Jahre CDU/CSU/FDP-Koalition

Bonn (taz) — Bis heute kann ich mir nicht so recht vorstellen, was Bismarck vor seinem inneren Auge sah, wenn der „Mantelsaum Gottes durch die Geschichte“ rauschte. Wohl aber weiß ich seit gestern, wie sich einer unter dem Deckmantel der Geschichte durch das Bonner „Maritim“ wälzen und dabei das Wohlwollen der versammelten Großgemeinde für sich gewinnen kann.

Dreitausend Gäste feierten Helmut Kohl, weil er nun zehn Jahre deutscher Kanzler ist. Schon das ein rätselhafter Erfolg: für die gesamte öffentliche Meinung ist der Regierungswechsel vor zehn Jahren in erster Linie zum Kohl-Jubiläum geworden. Allenthalben Porträts des Kanzlers: Dabei hätte doch die Koalition, die 1982 zustande kam, ebensogut kritische Analysen und Betrachtungen verdient. Doch „Die Koalition, das bin ich“, hat Kohl am gestrigen Tag klargestellt, und so hält eben Koalitionsvater Hans-Dietrich Genscher am 1.Oktober eine Laudatio für Helmut. Auf der großen Familienfeier hatte er die Rolle des alten Freundes.

CDU-Generalsekretär Peter Hintze und die Kohl-Stellvertreterin im Parteivorsitz, Angela Merkel, hielten die artigen Reden der erwachsenen Kinder, Frau Hannelore erhielt Blumen von „Antonia als Vertreterin der großen CDU-Familie“.

Kohl selbst war gestern ohne Zweifel in Form. Wohl selten ist ihm so perfekt gelungen, das Große, die Geschichte, Europa und Deutschland zu verbinden mit den Lebenserfahrungen, dem gesunden Menschenverstand, dem Einfach-Anschaulichen. Es wäre zuwenig gesagt: Bei Kohl gehen Familie und Staat, Allzumenschliches und das Staatswesen Hand in Hand. Das alles verschmilzt gleichsam. Da hören wir von Kohls Vater, der vor Verdun lag, und gleich darauf: „Wir sind nach Verdun gegangen, Francois Mitterrand und ich.“ Zwei plus vier, der Kaukasus, Mauerfall und deutsche Einheit gewinnen erst durch Salz und Brot aus Michails Hand ihre eigentliche Überzeugungskraft.

Fehler gibt er inzwischen zu, doch fast so, daß wir rufen möchten: „Fehler machen wir doch alle mal.“ Die Nummer eins im Staate mochte wohl in diese Verlegenheit nicht kommen. Richard von W. fehlte.

Tissy Bruns