Viel Krampf und Hölle gekostet

■ o.u.t. enttäuschte mit "...wird der Faden meiner Seele reißen" in der Opera Stabile

in der Opera Stabile

„Niemals zuvor habe ich soviel Krampf, soviel Hölle, soviel Paradies gekostet“, resümierte Alma Mahler-Werfel ihre dreijährige Beziehung zu Oskar Kokoschka. Und ruhte der Liebeskampf, dann sublimierte er in den schönsten Farben: „K. malte mich, mich, mich!“

Die Biographie dieser Frau ist heute noch als Klatschquelle ersten Ranges ein beliebtes Nachschlagewerk. Gleichzeitig ist sie das Dokument einer Zeit, die die Polarität der Geschlechter zur Grundproblematik des Seins ausgerufen hatte. Kaum einer hat diesen „unaufhebbaren Gegensatz“ von Männchen und Weibchen, diese schwüle Atmosphäre einer Doppelmoral, die Entspannung nur noch auf Freuds Sofa finden ließ, so zum Inhalt dramatischen Schaffens gemacht wie eben jener Maler Kokoschka, der damit dem expressionistischen Drama auf den Weg half.

Da einige musisch ambitionierte Hamburger gleichfalls dieses unsterbliche Thema „umkreisen“ und weiterhin umkreisen wollen, erinnerten sie sich kürzlich des Jahres 1908, Kokoschkas, Schönbergs und gründeten flugs den Verein „o.u.t.“ (Oper und Theater), wohl um Geschlechterkampf als Bekenntnis und theatralisches Einmaleins zu demonstrieren. Arnold Schönbergs Gesangszyklus „Buch der Hängenden Gärten“ nach Texten von Stefan George wurde mit Kokoschkas Prosatext „Der weiße Tiertöter“ nun vom o.u.t.-Verein in der Opera Stabile darstellerisch zum Besten gegeben. Im Vorfeld wurde gar über den Anspruch orakelt, den „Rahmen konventionellen Schaffens zu überschreiten“.

Der wurde in der Tat gesprengt: der gebotene Dilettantismus war wahrhaft ungewöhnlich! Worüber sollte man sich mehr ärgern: über den unreflektierten Umgang mit dem Thema, die triefende Symbolik, die lachhaft ekstatischen Körperkonvulsionen - oder die Dreistigkeit, daß solches Amateurtheater frech als „Verein“ Öffentlichkeitsanspruch für sich behauptet? Soll doch ein jeder in seinem Wohnzimmer machen, was er will, soll er sich schlagen, sich lieben und sein privates Welttheater dort inszenieren - doch, bitte, glaube er nicht, dieses bekäme seine Weihe erst coram publico. Da möchte sonst mancher der malträtierten Zuschauer stöhnen. Niemals zuvor habe ich soviel Krampf, soviel Hölle gekostet ... Stefan Rosinski