Das Ende einer Landsherren-Aera

■ Des Syker Stadtdirektors Abwahl und was vorher geschah...

Drei „V-Wörter“ spalteten monatelang die kommunalpolitische Szene im beschaulichen Syke: Hat nämlich, so die juristische Frage, Stadtdirektor Karl-Heinz Wodtke seine zahlreichen Nebentätigkeiten über Jahre hinweg „auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung“ seines Dienstherrn - des Stadtrates - ausgeübt? Wäre er daher zur „Abführung“ seiner Nebenverdienste verpflichtet gewesen? Oder hat er, unbeauftragt, als „juristische Person des privaten Rechts“ gehandelt — und somit die Gelder zurecht seinem Privatkonto zugeschlagen?

Was auf den ersten Blick als lösbares Problem erscheint, geriet in Syke zu einer Dauerposse: Karl- Heinz Wodtke einerseits, der sich mit farbigen Erläuterungen seiner persönlichen „Rechtsauffassung“ und Rückendeckung seiner Parteifreunde von der CDU-Fraktion selbstbewußt in weißer Weste präsentierte — die Opposition aus SPD, FDP und Grünen andererseits, die sich vergeblich mühte, die dunklen Flecken ans Licht zu zerren.

Nun hat der Spuk ein spätes Ende. Mitte September befand das Landgericht Verden in zweiter Instanz den Syker Stadtdirektor der Untreue für schuldig. Darauf reagierten Dienstvorgesetzter und Bürgermeister prompt: Heute tritt der Stadtrat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt: Die Abwahl von Karl-Heinz Wodtke.

17 Jahre dauerte Sykes „Aera Wodtke“, und beinahe ebenso alt ist der öffentliche Mißmut über die Landsherrenart seiner Amtsführung. Daß er seine Amtsleiter zu Kuschern drille, Ratsbeschlüsse ignoriere, seine Kinder vom diensteigenen Chauffeur zur Schule kutschieren lasse, am Wochenende schon mal Stadtbedienstete zum Schneiden der heimischen Rosen herbeibeordere. Vor allem die abseitigen Aktivitäten des Stadtdirektors garantierten stets humorige Debatten an den Stammtischen der Hachestadt. Bis in die frühen 80er Jahre aber lassen sich auch besorgte stadträtliche Anfragen bezüglich der Nebentätigkeiten und der von Wodtke geltend gemachten immensen Fahrtkosten zurückverfolgen.

19 „Nebentätigkeiten“ waren es laut Rechnungsprüfungsbericht der Kommunalaufsicht insgesamt — was an besagten Stammtischen die Frage aufwarf, wann der Mann eigentlich noch Zeit habe für die Arbeit, für die er von der Stadt bezahlt wird. Als Knackpunkt erwies sich schließlich seine Beratertätigkeit im umstrittenen Syker Techno-Park - für die er immerhin 4.000 DM monatlich bezogen hat, bei einer zulässigen Grenze von 9.600 DM für Nebentätigkeiten - jährlich. Kernfrage: Die drei „V's„- oder nicht?

Wodtke beharrte auf dem Nein, jonglierte spitzfindig mit für die meisten im Rat unergründlichen juristischen Argumenten und rettete sich so auch über einen Abwahlantrag der SPD im April 1991 hinweg. Denn hierzu wäre, so sagt es die Gemeindeordnung, eine Drei-Viertel-Mehrheit des Rates notwendig gewesen: Die CDU aber verweigerte sich, und der Begriff „Kasperletheater“ hielt Einzug in die Kneipengespräche.

Bis ein Herr Schumacher aus der SPD-Fraktion schließlich Strafantrag stellte. In der ersten Instanz noch durfte der Stadtdirektor vor zufriedener CDU, blamierter Opposition und geschockten Lokalredakteuren — die fleißigsten Säger an seinem Ast — den Strahlemann mimen: Das Amtsgericht beschied, es habe sich bei den zu verhandelnden 50.000 Mark nicht um abführungspflichtige Honorare gehandelt. Dem widersprach nun das Landgericht: Eine Tätigkeit „mit Wissen und Willen des Rates“ sei gleichzusetzen mit „Veranlassung“. Das Geld sei veruntreut und abzuführen plus einer Geldstrafe von 36.000 Mark.

Ein vorbestrafter Stadtdirektor? Vor allem die CDU und ihr Bürgermeister Wilhelm Vogel hatten es nun eilig, ihren Hauptverwaltungsbeamten loszuwerden. Auch die 600.000 Mark, die er die hochverschuldete Stadt bis zu seiner regulären Pensionierung noch kosten wird, schreckten kaum noch. Die gesetzlich vorgeschriebene Probeabstimmung brachte am 16. September die erforderlichen Mehrheiten, kaum jemand zweifelt noch daran, daß der Rausschmiß heute abend besiegelt wird. Der Noch-Stadtdirektor selbst ist im Urlaub. Rainer Köster