»Ich danke Gott, daß ich ein Zigeuner bin«

■ Das Internationale Kulturfestival der Sinti und Roma dauert bis zum 11. Oktober/ Teilnehmer auch aus Pakistan, der Türkei und Ägypten/ Zwei Jahre Vorbereitung

Mitte. Im Podewil in der Klosterstraße surrten vergangenen Donnerstag die Fernsehkameras. Eröffnet wurde ein in Deutschland nie gesehenes, nie gehörtes Festival, und dies mitten hinein in eine Pogromstimmung gegen Asylbewerber, die zum Großteil aus Rumänien kommen. Bis zum 11. Oktober findet im Podewil, im Haus der Kulturen, im Tempodrom und im Potsdamer Lindenpark das »Internationale Kulturfestival der Roma und Cinti« statt. Aus ganz Europa, aus Pakistan, der Türkei, Jordanien und Ägypten sind die Gruppen gekommen, um ihre jahrtausendealte Kultur vorzustellen, um Vorurteile abzubauen, für Toleranz und Menschlichkeit zu werben und um die etwa 60.000 deutschen Roma und Sinti in ihrem bislang vergeblichen Kampf um Anerkennung als deutsche und europäische Minorität zu unterstützen. Fast zwei Jahre lang dauerten die Vorbereitungen des »Instituts für traditionelle Musik« und der »Cinti-Union Berlin«, und als man noch plante und organisierte, war nicht zu ahnen, daß bald der Mob unter Beifallsgeklatsche in Rostock und Wismar Roma und Sinti durch die Straßen jagen würde. »Wäre ich in Rostock gewesen«, schreibt eine Leserin in der Wochenpost, »hätte ich auch Beifall geklatscht. Denn die ‘armen Asylsuchenden‚ sind doch bloß Scharen von Zigeunern, die unsere Städte bevölkern. Kein Land lädt sich dieses Volk auf, nur wir Deutschen. Solange sie vor unserer Haustür kampieren, werde ich sie bekämpfen.«

Abschied an die Welt des Luxus

So ist unvermutet alleine das Zustandekommen dieses Festivals ein Politikum. Marianne Bichler, brandenburgische Bildungsministerin (Bündnis 90/Grüne), nutzte in ihrer Eröffnungsrede die Gelegenheit, hart mit ihren Kollegen ins Gericht zu gehen. Durch die gegenwärtige Debatte über die Einschränkung des Asylrechts werden jahrhundertealte Ressentiments gegen Roma und Sinti mobilisiert, den »Gewalttätern wird dadurch das Gefühl gegeben, sie seien auf dem richtigen Weg«. Auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen, genau wie Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe Schirmherr der Veranstaltung, sprach von »Vorurteilen«, die es abzubauen gelte; aber auf die Demontage des Asylrechts ging er mit keinem Wort ein. Ungerührt nahm er auch die Rede des Vorsitzenden der Berliner Cinti-Union, Otto Rosenberg, hin, der bitter kritisierte, daß selbst die leidvolle Vergangenheit vergessen gemacht werden soll. Unfaßbar sei es, daß Bund und Land den alleine aus rassischen Gründen ermordeten Juden mit einem Mahnmal gedenken wollen, die ebenfalls alleine ihrer Rasse wegen ermordeten Roma und Sinti aber ausklammern.

Der österreichische Maler Karl Stojka ist so jemand, der gerade noch davongekommen ist. »In Auschwitz haben sie mir meinen Namen genommen und den neuen in den Arm tätowiert«. Mit »Z-5742« hat er auch seine Bilder signiert, die bis zum 11. Oktober im Podewil zu sehen sind. »Ein Kind aus Birkenau« heißt die ergreifende Ausstellung, die vordem im Holocaust Memorial Council in Washington gewesen war. »Gott hat mich auf dieser Welt zu einem Zigeuner gemacht«, sagt er trotz alledem: »Ich danke Gott dafür und werde ewig stolz sein, ein Zigeuner zu sein.« aku