Deutscher Spätsommer

■ Es ist erschreckend, daß die Täter immer jünger werden", Interview mit Wolfgang Pfaff, taz vom 28.9.92

betr.: „Es ist erschreckend, daß die Täter immer jünger werden“, Interview mit Wolfgang Pfaff,

taz vom 28.9.92

Ein deutscher Spätsommer und ein allgemein als liberal und analytisch begabt verschriener Verfassungsschützer. Herr Pfaff gibt zu Protokoll:

„Den Zahlen“ (über rechtsradikale Gewalttaten) „ist auch nicht zu entnehmen, daß die Brutalität der Angriffe auf Ausländer und Asylantragsteller stark zugenommen hat.“ (Pfaff) Die Brutalität hat also nur schwach zugenommen; es bleibt bei Tritten, Schlägen mit harten Gegenständen und versuchter Menschenverbrennung. Ausgesprochene Folterungen sind bisher nicht gemeldet worden, Dramatisierungen der Situation also auch nicht hilfreich.

Im Gegenteil, die „Aufmerksamkeit in den Medien“ (Pfaff) ist es, die 13 bis 15 Jahre alte Jungs darin bestärkt zu versuchen, andere Menschen totzuschlagen oder zu verbrennen. Und die ungezogenen Bengels können das alles auch noch gar nicht intellektuell nachvollziehen, wahrscheinlich sehen sie nur zuviel fern. Ganz vereinzelt kriegen sie gar Beifall von ihren Eltern. Dieser Beifall ist aber tatsächlich tatsächlich.

Nun, „auch bei den etwas Älteren beobachten wir eine nicht unbedingt verinnerlichte rechtsextremistische Grundhaltung“ (Pfaff). Na also, das renkt sich wieder ein, schließlich ist das Entstehen eines „ziemlich (breiten Spektrums) einer sich formierenden alternativen Jugendkultur“ (Pfaff) doch nichts Ungewöhnliches. Na gut, „Unkultur“, trotzdem, ich bitte Sie, lassen wir doch die Kirche im Dorf, wo „man (sich kennt, sich abspricht) vielleicht auch mit der Clique im Nachbarort — aber das ist noch nicht die Vorform einer Partei oder Organisation“ (Pfaff).

Ein paar Jungens aus der Nachbarschaft machen einen Zug durch die Gemeinde, und Herr Pfaff schützt die Verfassung. Dabei hat er analytische Feldarbeit geleistet: „Das auffälligste Merkmal ist“ nämlich „eine Ausländerfeindlichkeit, die mitunter durch rassistische Anschauungen verstärkt wird“ (Pfaff). Rassismus wird also durch Rassismus verstärkt. Zumindest mitunter.

Vor allen Dingen wird Rassismus durch zwei Methoden des deutschen Selbstfindungsprozesses verstärkt: Methode Hardcore (Stoiber gegen Durchmischung und Durchrassung) und Methode Schleimbeutel (Engholm/Thierse nehmen teil an den Ängsten der Menschen, der deutschen, versteht sich). Herr Pfaff ist ein Schleimbeutel. Ulrich Holberg, Berlin