Knusprig, frisch

■ Berliner Rundfunk jagt die Schrippe

Was beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk etwas verstaubt als Programmreform geführt wird, das heißt beim Privatfunk neudeutsch „Programmrelaunch“. Nach achtmonatiger Vorbereitungsphase startete heute morgen, 5 Uhr, der (Ost-)Berliner Rundfunk sein Programmrelaunch. In umfangreichen Schulungen wurde den Mitarbeitern in den letzten Monaten erst einmal die „Philosophie des Privatfunks“ nähergebracht. Fortan verstehe man sich „stärker als Dienstleister und weniger als Bildungsfunk“, meint der neue Chefredakteur Klaus Kelle, der mit sechs weiteren Redakteuren Ende August vom Privatsender Hundert,6 (Berlin West) in die Nalepastraße (Berlin Ost) wechselte. Von 34 redaktionellen Mitarbeitern kommen, nach Angaben von Geschäftsführer Claudio Funke, 23 aus den neuen Ländern. Dies wird von ihm deshalb so betont, weil es „in Berlin in Mode gekommen“ sei, „die privaten Hörfunkanbieter öffentlich immer wieder an die Voraussetzungen beziehungsweise die Bedingungen für die Lizenzvergabe zu erinnern“. Laut Lizenz darf sich der neue Berliner Rundfunk personell und programmlich nicht allzuweit vom alten Berliner Rundfunk der Nachwende entfernen. Mit der Ost-West-Mannschaft wird seit heute morgen der Zielgruppe „Osthörer zwischen 30 und 50“ aufgetischt. Neben den stündlichen Nachrichten reichen sie Regionalnachrichten zur halben Stunde. Serviert wird täglich ab sechs Uhr die „Schrippen- Show“— knusprig, knackig, frisch“. Verärgert sind die Macher nur, daß Hundert,6, der schärfste Konkurrent aus dem Westen, gerade die „Jagd auf die goldene Schrippe“ veranstaltet, eine Kampagne mit Gewinnchancen bis zu 106.000DM. „Die mache ich platt“, freut sich denn auch Hundert,6-Programmdirektor Georg Gafron. Nicht anders als bei einer Programmreform wird auch beim Programmrelaunch gestrichen. In diesem Fall ist es der Slogan: „Wir von hier hören 91,4.“

Jetzt heißt es schlicht „Brandenburg und Berlin auf einer Welle“. Es sei kein Zufall, daß „dabei Brandenburg an erster Stelle“ stehe, betont Günther Jauch, der neben seinem neuen Job als Stern- TV-Chefredakteur auch Programmkoordinator des Berliner Rundfunks ist. Brandenburg und Ost-Berlin sei „unser Home-Market“, ergänzt Funke. Mehr als 20 Millionen Mark haben ihm seine Gesellschafter (unter anderen Berliner Verlag mit 25 Prozent) für die nächsten beiden Jahre bewilligt. Im „dritten Marketingjahr“ rechnet er mit schwarzen Zahlen. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß aus den jetzt 70.000 Hörern schon im nächsten Jahr 110.000 werden. Ungewöhnlich deutlich äußerte sich Funke zur Marktsituation in der Region. Die „Anzahl von werbetragenden Sendern“ habe ihr „wirtschaftliches Limit“ erreicht. Für neue Sender sei der Markt zu klein. Ilona Marenbach