Vorerst keine US-Atomtests mehr

Bush verzichtet auf ein Veto, um seine Wahlchancen in Texas nicht zu gefährden/ Senatoren hatten Acht-Milliarden-Dollar-Teilchenbeschleuniger an Teststopp gekoppelt  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Die USA werden vorläufig keine militärischen Atomtests mehr vornehmen. US- Präsident George Bush unterzeichnete am Freitag ein entsprechendes Gesetz und erklärte zugleich, daß er die Tests weiter für notwendig hält. „Wir müssen weiterhin ein Minimum an unterirdischen Atomtests vornehmen, egal was andere Staaten machen“, sagte der Präsident, als er seine Unterschrift unter das Dokument zum Atomteststopp setzte. Er sei nicht zufrieden mit dem Gesetz, der Kongreß solle es baldmöglichst zurücknehmen.

Doch im Augenblick geht für Bush der Wahlkampf vor. Der von den Demokraten dominierte US- Kongreß hatte den Gesetzentwurf im September verabschiedet. Als Bush mit seinem Veto drohte— der Präsident hat die Möglichkeit, mit einem Veto Gesetze zu verhindern, solange er nicht von zwei Dritteln der Abgeordneten und Senatoren überstimmt wird — verbanden die Gesetzesbastler im Kongreß den Teststopp mit der Finanzierung eines großen Förderprogramms für Energieprojekte. Bush lenkte ein. Verteidigungsminister Dick Cheney und Sicherheitsberater Brent Scowcroft sollen zwar gegen den Kompromiß gewesen sein. Durchgesetzt habe sich jedoch George Bushs Wahlkampfchef, der frühere Außenminister James Baker, hieß es in Washington.

Die Senatoren hatten Bush an einer weichen Stelle getroffen. Zu dem 22-Milliarden-Dollar-Programm gehören nämlich auch eine halbe Milliarde Dollar für ein immens teures Forschungsprojekt im US-Bundesstaat Texas: ein gigantischer Teilchenbeschleuniger. Den hatte Bush den Landsleuten an seinem Zweitwohnsitz in Houston versprochen. Immerhin 7.000 Arbeitsplätze sollen im rezessionsgeplagten Bundesstaat vom „Supercollider“ abhängen, dessen Gesamtkosten auf acht Milliarden US-Dollar veranschlagt werden. Ein gewichtiges Wahlargument: Die Mehrheit in Texas ist entscheidend, wenn Bush überhaupt noch einen Chance auf die Wiederwahl Anfang November haben will.

Das jetzt von Bush unterschriebene Gesetz sieht vor, daß die USA zumindest in den kommenden neun Monaten keine weitere Atombombe auf dem Testgelände in Nevada zünden werden. Nach dem Ablauf des Moratoriums verlangt das Gesetz strikte Regelungen für maximal fünf Tests im Jahr. Vier davon sollen der Erhöhung der Sicherheit dienen, einer soll die Zuverlässigkeit alter Atomwaffen prüfen. Ein weitergehender Entwurf, der das sofortige Ende aller Atomtests und nicht nur ein Moratorium gefordert hatte, fand im Senat nicht die erforderliche Mehrheit. Nach dem jetzt verabschiedeten Gesetz soll ab dem 1. Oktober 1996 endgültig Schluß sein mit den unterirdischen Atomexplosionen in der Wüste von Nevada.

Der amerikanische Teststopp kommt politisch gerade noch rechtzeitig zum Auslaufen der Atomtestmoratoriums in Rußland (siehe Seite 20). Die USA hatten in diesem Jahr in der Wüste von Nevada schon eine Reihe von Tests durchgeführt, die letzten beiden im Vorfeld der entscheidenden Senatsabstimmung vor knapp zwei Wochen.