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FDP will jetzt Asylrecht ändern

Parteitag in Bremen für Grundgesetzänderung, wenn das Grundrecht „im Kern nicht aufgehoben“ wird/ Beschlüsse für Wehrpflicht und gegen sozialliberale Wirtschaftspolitik  ■ Hans-Martin Tillack

Bremen/Bonn (taz) — Burkhard Hirsch platzte fast vor guter Laune. Eben hatte der Parteitag den am Vortag im Arbeitskreis mühsam zusammengezimmerten Kompromiß zur Asylpolitik verabschiedet. Darin erklärt sich die Partei bereit, an einer Änderung von Artikel 16 im Grundgesetz mitzuwirken, macht aber einige Einschränkungen. Das „individuelle Grundrecht auf Asyl“ dürfe „im Kern“ nicht aufgehoben werden. Asylbewerbern müßten weiterhin eine Einzelfallprüfung und der Rechtsweg über „mindestens eine Gerichtsinstanz“ offenbleiben. Damit sei der Weg zu einer Grundgesetzergänzung frei, meinte Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger.

Burkhard Hirsch, bisher immer an vorderster Front der Asylrechtsverteidiger, betrachtete den Beschluß als klaren Erfolg — obwohl er noch am Vortag im Arbeitskreis dem entscheidenden Kapitel des Antrags nicht zugestimmt hatte. Der Text für die Grundgesetzänderung war ihm zu weitgehend, obwohl es die Jungen Liberalen schon dort geschafft hatten, in den Antrag des Bundesvorstandes die Passagen einzufügen, die als „Sperrklinken“ gegen eine völlige Demontage des Grundrechts wirken sollten. Selbst am Sonntag konnte Hirsch nicht sicher sagen, wie der Beschluß zu deuten sei. Er glaube schon, daß der Antrag die Freidemokraten verpflichte, am Grundrecht auf Asyl festzuhalten und den Verfassungsartikel nur zu ergänzen, versicherte er.

Der Abgeordnete Wolfgang Lüder, sonst immer an Hirschs Seite, blieb skeptisch: „Der Antrag räumt keine liberalen Positionen, aber er eröffnet die Möglichkeit, sie zu räumen.“ Daß Hirsch den Beschluß bejubelte, läßt sich dennoch erklären: Die Partei hat eine Zerreißprobe überstanden, und die Linksliberalen haben eine kleine Schlacht gegen die Parteirechte gewonnen. Deren Anführer reagierten am Freitag abend hell entsetzt, als sie von den Asylbeschlüssen des Arbeitskreises erfuhren. Der Versuch, den Antrag am Samstag im Plenum wieder aufzuweichen, scheiterte jedoch — nicht zuletzt, weil Leutheusser-Schnarrenberger sich persönlich für den Kompromiß einsetzte.

Aus der Defensive heraus haben die Linksliberalen einen Sieg errungen. Daß sie in der Defensive waren, daran gab es keinen Zweifel. Appelle von Hildegard Hamm- Brücher und Ignatz Bubis, den Artikel 16 im Grundgesetz überhaupt nicht anzutasten, hatten keine Chance. Dazu trugen vor allem die ostdeutschen Freidemokraten bei. Sie stellten fast 300 von 662 Delegierten, und keiner von ihnen sprach öffentlich für das Grundrecht auf Asyl. Das „Asylproblem“ sei eine „altbundesdeutsche Altlast“, vergleichbar mit den Altlasten der DDR — so formulierte es der Vizevorsitzende der sächsischen FDP, Ludwig Rade.

Viele Liberale, linke wie rechte, waren mit Wut im Bauch nach Bremen gefahren. Die Koalitionskompromisse zur Pflegeversicherung hatten sie ebenso verärgert wie die laue Haltung der Partei- und Fraktionsführung in der Asylfrage. Otto Graf Lambsdorff nahm dem schon in seiner Eröffnungsrede erfolgreich die Spitze, als er versicherte, die FDP werde „nicht um jeden Preis“ in der Koalition bleiben. Auch für den Erhalt des individuellen Grundrechts auf Asyl setzte sich der Parteichef in seiner Rede ein — fügte aber sogleich hinzu, die Partei dürfe nicht Beschlüsse fassen, die dann „in der Koalition keinen Bestand haben“.

Die Delegierten fügten sich Lambsdorffs Mahnung zur Disziplin. Anträge zur Abschaffung der Wehrpflicht lehnten sie ab, und einem sozialliberalen Papier zur Wirtschaftspolitik ließen sie keine Chance. Die Berliner FDP-Chefin Carola von Braun erhielt nur schwachen Applaus, als sie einen Bogen von den ungelösten wirtschaftlichen Problemen in West- und Ostdeutschland zu der wachsenden Ausländerfeindlichkeit schlug. Ihre Bilanz: „Ein Parteitag der selbstverordneten Lähmung“.

Zu Beginn am Freitag hatte Hildegard Hamm-Brücher die Delegierten mit vibrierender Stimme aufgefordert, „für einen kurzen Moment“ der zehn Todesopfer zu gedenken, die die rechtsextreme Gewalt in diesem Jahr schon gefordert habe. Doch die Delegierten blieben bei ihrer Tagesordnung und verabschiedeten erst später eine Resolution, in der gefordert wurde, der Gewalt auch mit den „schärfsten“ Mitteln entgegenzutreten, die dem Rechtsstaat „legal und legitimerweise zur Verfügung stehen“.

Zu einer Abgrenzung von der nach rechts abgedrifteten FPÖ konnten sie sich nicht aufraffen. Ein Antrag der oberbayerischen FDP, die Beziehungen abzubrechen, kam gar nicht zur Abstimmung. Der hessische FDP-Chef Wolfgang Gerhardt formulierte die Gegenposition in unnachahmlicher Weise. In Sachen Haider und FPÖ komme es darauf an, so Gerhardt, „daß wir höflich miteinander umgehen“.

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