Sparpolitik im Windschatten

■ 370 ABM-Projekte bedroht / Senat spart 1993 60 Millionen Mark, statt 1500 Stellen zu sichern

/ Senat spart 1993 60 Millionen Mark, statt 1500 Stellen zu sichern

Hamburgs Finanzsenator Wolfgang Curilla als „Kriegsgewinnler von Wirtschaftsminister Möllemanns Eskapaden“? Dieses bitterböse Urteil fällte gestern jedenfalls Holger Stümpel, Sprecher der AG Zündstoff (Zusammenschluß von ABM-Projekten). Anlaß für den Ärger: Wegen der reduzierten ABM- Zuschüsse aus Bonn streicht auch der Hamburger Senat 1993 60 Millionen Mark aus dem entsprechenden Haushaltstopf. Damit, so betonten gestern die GAL-Abgeordnete Anna Bruns und AG Zündstoff, hätten wenigstens einige der rund 370 bedrohten Projekte gerettet werden können.

Rund 142 Millionen Mark hatte Senator Ortwin Runde in den letzten Jahren für die Restfinanzierung von 4500 AB-Maßnahmen in seinem Etat, 80 Prozent der Lohnkosten kamen von der Bundesanstalt für Arbeit. Doch zu Beginn dieses Jahres kündigte Wirtschaftsminister Möllemann an, daß künftig die ostdeutschen Länder von diesem Geldsegen profitieren sollen. Daß es in Hamburg zu lawinenartigen Einbrüchen bei den sozialen Projekten kommen würde, die ihre Arbeit seit Jahren mit befristeten AB-Maßnahmen verrichten, war klar. Weniger fest stand, wie der Hamburger Senat diesem Stellenabbau von 4500 auf 3000 begegnen würde. Jetzt scheint zumindest eines klar: Im Sozialetat finden sich nur noch knapp 82 Millionen Mark zur Sicherung von 3000 Stellen. Die notwendigen Finanzmittel für die restlichen 1500 Arbeitsplätze sind nicht in Sicht.

„Der Senat will im Windschatten der Bonner Sparpolitik seinen Haushalt sanieren“, schimpfte die GALierin Anna Bruns. Daß mit den eingesparten 60 Millionen Mark fast alle Stellen gerettet werden könnten, rechnete Holger Strümpel vor. 150 Stellen für Sozialarbeit in sozialen Brennpunkten, 150 Anleiterstellen in Beschäftigungsprojekten und 500 Jobs für SozialhilfeempfängerInnen könnten mit 40 Millionen Mark erhalten werden. Mit weiteren 20 Millionen wäre die Schaffung von 700 zusätzlichen AB-Maßnahmen möglich, wenn Hamburg statt 20 Prozent künftig 40 Prozent der Lohnkosten zuschießen würde.

„Wenn der Senat nicht eingreift, droht die soziale Infrastruktur in den sozialen Brennpunkten zusammenzubrechen“, beklagte Strümpel. Ein Umstand, dessen sich auch Schulsenatorin Rosemarie Raab in den Haushaltsberatungen bewußt war. Sie fordert den Senat auf, die 60 Millionen Mark nicht einzusparen, davon feste Stellen in den wichtigsten Projekten zu finanzieren. Sie scheiterte.

Jetzt sind rund 370 Projekte in ihrer Existenz gefährdet. Einige, wie das Arbeitslosenprojekt Lindenallee, haben ihre Pforten schon geschlossen, andere wie das Frauenbildungswerk Denk(t)räume, die Schwulen- und Lesbenberatungstelle Intervention oder die Sozialhilfeberatungsstelle SPAK in St.Pauli müssen ihre Arbeit voraussichtlich zum Jahresende einstellen. Derweil arbeitet die Sozialbehörde noch an einem ABM-Bericht. Sannah Koch