Zeugen Yeboahs im siebten Himmel

■ Dank eines überragenden Anthony Yeboah besiegt Eintracht Frankfurt den leidgeprüften VfB Stuttgart mit 4:0

Frankfurt (taz) — Es gibt Dinge im Leben, die — lassen wir's den Kanzler sagen — „außerhalb jeglicher Begreiflichkeit“ stehen: Ganze neun „Dinger“ hatte die Eintracht aus Frankfurt/Main am vergangenen Mittwoch im UEFA- Cup Rückspiel im Kasten der Männer von Widzew Lodz versenkt. Ganze vier Dinger mußte Torwart Eike Immel vom VfB Stuttgart am Sonntag vor 30.000 „Zeugen Yeboahs“ aus dem Netz kratzen. Und dazwischen sorgte die Eintracht aller Linken in Hessen dafür, daß am Tag der deutschen Einheit mehr als 10.000 Menschen in den Straßen der Mainmetropole für die multikulturelle Vielfalt und gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit demonstrierten: „Frankfurt, nun freue dich!“

„Schwaben raus — Ausländer rein“, skandierten die Fans der Eintracht, als im Käfig der enttäuschten Stuttgarter Fans vereinzelt rassistische Schmährufe gegen ihren „Thony“, den zur Zeit wohl besten Stürmer der Liga, laut wurden. Neben Anthony Yeboah hatte sich mit einer brillanten Leistung gegen Lodz auch der 19jährige Rapper mit der Grace-Jones- Frisur, „Jay Jay“ Okocha aus Nigeria, in die Herzen des Publikums gespielt — und Hobby-Sportreporter und Multikulturdezernent Dany Cohn-Bendit dürfte das Herz aufgegangen sein: „Frankfurt, nun freue dich! Schließlich entspricht der prozentuale Ausländeranteil bei der Eintracht mit Yeboah (Ghana), Okocha (Nigeria), Marek Penska (CSFR), Jörn Anderson (Norwegen) und Trainer Dragoslav Stepanovic (Serbien) fast exakt dem der Mainmetropole: 25 Prozent.

An diesem stürmischen Sonntag im Waldstadion durfte „Jay Jay“ allerdings nur eine Halbzeit lang tanzen. „Steppi“ Stepanovic hatte zu hoch gepokert. Mit einem nur mit ABC-Schützen bestückten Mittelfeld — Okocha (19), Wolf (19) und Penska (19) — wollte der Kettenraucher mit dem Seehundschnauzer die Reifeprüfung gegen die Schwaben bestehen. Doch das Experiment wäre fast in die schwarzen Hosen der Eintrachtler gegangen, denn die Stuttgarter machten in der ersten Halbzeit das Spiel. Da tauchte „Wiggerl“ Kögl wiederholt in aussichtsreicher Schußposition vor Uli Stein auf, Fritz Walter hatte zwei Möglichkeiten — und Maurizio Gaudino wuchtete den Ball nur knapp über die Querlatte. Da standen die Mainischen schwer unter Druck. Doch Steins Glanzparaden und das Schußpech der Stuttgarter — Kögl traf nur das Außennetz — verhinderten einen frühen Rückstand der Eintracht.

Dann kam die 31. Minute: Weber plazierte eine Flanke vor das Tor von Immel, Yeboah und Buchwald stiegen hoch — aber „Thony“ stieg höher: 1:0 für die Eintracht. Das war der Anfang vom unrühmlichen Ende des Meisters im Stadion des verhinderten Meisters. Mit Uwe Bein — für Okocha — kam nach der Pause Ordnung in das bis dahin schwimmende Mittelfeld der überforderten Youngster, und in der 61. Minute stand es auch schon 2:0 für die Eintracht: Nach einer Flanke von Weber in den Strafraum stiegen Yeboah und Immel hoch — aber „Thony“ stieg höher... Der Rest ist bekannt. Stehende Ovationen für Yeboah. Und die buntgekleideten Ghanaer auf der Gegentribüne trommelten sich die Seelen aus den Leibern: ein heißes multikulturelles Fest an einem regnerischen Herbstabend.

Fünf Minuten nach Yeboahs zweitem Tor traf Axel Kruse zum 3:0, und schließlich durfte sich in die Torschützenliste auch noch Stefan Studer eintragen. Der Eintracht-Adler fliegt höher und höher. Die Bayern, die am 27. Oktober zum Nachholspiel ins Waldstadion kommen, werden ihre Lederhosen festhalten müssen. Klaus-Peter Klingelschmitt

VfB Stuttgart: Immel - Dubajic - Buchwald, Schäfer - Buck (72. Golke), Strunz, Sverisson, Kögel, Frontzek - Gaudino (46. Knup), Walter

Zuschauer: 25.000; Tore: 1:0 Yeboah (33.), 2:0 Yeboah (61.), 3:0 Kruse (64.), 4:0 Studer (80.)

Eintracht Frankfurt: Stein - Binz - Roth, Bindewald - Okocha (46. Bein), Penksa, Wolf, Studer, Weber - Yeboah, Kruse (83. Reis)