Vampire für Kinder ohne Biß

■ Tomaten-Trust: Eltern finanzieren Kinderprogramme/ Heute starten die „Ketchup-Vampire“ um 16.03Uhr im ZDF

Wodurch lernen unerfahrene Jungvampire, bißwütige Blutsauger zu werden? Richtig: bei der „Matura Vampira“ aus Draculas Vermächtnis, einem hochgefährlichen Buch mit allen überlebenswichtigen Geheimnissen. Zum Beispiel: „Meide den Tomatensaft, denn er macht friedfertig und bißlos!“ Die Prüfung, die nur alle 33 Jahre stattfindet, rückt näher. Doch das Buch ist weg. Draculas transsylvanische Nachfahren, die sich schon ersatzweise mit Blutwurst am Leben halten, haben deshalb eine Stinkwut auf ihre ausgewanderte Verwandtschaft. Die hält den ewigen Streß mit der Blutsaugerei für überflüssig und die Vampir-Bibel versteckt...

Wie die „Ketchup-Vampire“ den blutrünstigen Teil ihrer Familie immer wieder austricksen, soll die Fernseh-Kids ab heute 13 Wochen lang in Atem halten. Durch Hörspiele, Videos, Glückwunschkarten, T-Shirts, Spielkarten, Puzzles, Malbücher schwirrt die saftsaugende Comic-Sippe außerdem flächendeckend ins Weihnachtsgeschäft.

Kinder-Comics im Fernsehen sind der absolute Renner, die begleitende, möglichst totale Vermarktung als Zusatzgeschäft auch. Der Ketchup-Coup wäre deshalb nicht weiter erwähnenswert — wenn er nicht, im Gegensatz zu den meisten Fernost- oder Hollywood- Animationen, trotz reichlich rotem Saft ganz ohne Gewalt auskäme. Und wenn die Trickfilm-Kontroverse Ketchup und Friedfertigkeit contra Blutwurst und Bißwut nicht schon vor ihrer Entstehung Comic- untypische Aufmerksamkeit geweckt hätte. Geld-Gazetten wie dem Züricher Wirtschaftsblatt Cash, dem Magazin Impulse, dem Ressort „Finanzmärkte“ der FAZ oder dem Beteiligungsbrief für lukratives Investment war nämlich bei dem „Tomaten-Trust“ eine für deutsche Verhältnisse ungewöhnliche Anlagemöglichkeit aufgefallen. Sie prophezeiten „ausgezeichnete Gewinnchancen“.

Wie in den USA schon seit 16 Jahren üblich, wurden zur Finanzierung der „Ketchup-Vampire“ erstmals Publikumsbeteiligungs- Fonds aufgelegt. In die zahlten seit 1989 rund 1.700 Anleger jeweils 5.000 Mark und mehr, insgesamt runde 15 Millionen ein, von denen die ersten 13 Folgen produziert wurden.

Die Geldgeber profitierten zuerst von den steuermindernden Verlustzuweisungen, ab 1993 sollen 18Prozent Gewinnausschüttung sprudeln. Kurzformel: Eltern finanzieren kinderfreundliche Programme und verdienen dabei. Einige schossen bereits für die Fortsetzungsstaffel Geld nach. Aber auch neue Anleger können weiterhin einsteigen.

Für das Geschäft mit Programmen errechnete das Baseler Wirtschaftsforschungsinstitut „Prognose“ bis zum Jahr 2000 dreistellige Zuwachsraten. Speziell Kinder-Serien gelten als international gut verkäuflich. „Die Turtles“, „Popeye“ oder „Arielle, die Meerjungfrau“ beispielsweise werden in über 80 Ländern ausgestrahlt. Die „Ketchup-Vampire“ sollen genauso viele TV-Sender erobern. Die Chancen scheinen nicht schlecht.

Die Erfinder der trickreichen Tomatentruppe, Bettina Matthaei und Alexander Zapletal, machen seit 14 Jahren Animationsfilme fürs Fernsehen: „Wir versuchen, selbstbewußt gegen die Massenware aus den USA und Asien anzugehen.“ Mit Erfolg: Die Plastilinfiguren „Plonsters“ in der „Sesamstraße“ sind ihr Werk, Beiträge für das „Sandmännchen“ und die „Sendung mit der Maus“, der Gitarre spielende „Ökogai“ im neuen Kinder-Umweltmagazin und die unvergessene Serie „Luzie, der Schrecken der Straße“. Die brachte ihren Schöpfern gar den renommierten Adolf-Grimme- Preis ein. Ulla Küspert

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