Einheits-Bilanz der SPD: Ein einziger Schlamassel

■ Fraktions-Forum zeichnet düstere Perspektiven fürs einig Vaterland

Berlin (taz) — Zu einer Blut-Schweiß- und-Tränen-Veranstaltung geriet gestern ein Forum der SPD-Bundestagsfraktion im Berliner Reichstag: „Zwei Jahre deutsche Einheit“ — ein einziger Schlamassel und wir mittendrin, bilanzierten Hamburgs Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, Daimler-Chef Edzard Reuter sowie Ex-Kanzler Helmut Schmidt die Lage der Nation. Als einen „Krieg in Friedenszeiten“ charakterisierte Dohnanyi die ökonomische Herausforderung. Die Spaltung in Deutschland werde länger währen als die sowjetische Besatzung. Die sozialen und politischen Spannungen würden noch weiter zunehmen. Edzard Reuter sah die ökonomischen Perspektiven für die neuen Länder durch die Abschreckungswirkung ausländerfeindlicher Gewaltakte weiter verdüstert. Helmut Schmidt verglich die rechtsradikalen Ausschreitungen mit dem Terrorismus der 70er Jahre. Als moralischen Skandal wertete er, daß manche Bürger „mit klammheimlicher Zustimmung“ reagierten.

Alle Podiumsteilnehmer, darunter auch DGB-Chef Heinz-Werner Meyer und der Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer, forderten eine schonungslose Offenlegung der ökonomischen Realität. Im zweiten Schritt wird es dann auch bei den SPD-nahen Schichten schmerzhafte Schnitte geben: Reuter hält statt „Teilen aus den Zuwächsen“ nur das „Teilen aus der Substanz“ für realistisch. Schmidt prophezeite das Ende realer Einkommenssteigerungen. Reuter forderte „flexible Lösungen für Steuern und Tarife“. Diese dürften nicht länger durch „ordnungspolitische Ideologie totgeschlagen“ werden. DGB-Chef Meyer konterte: keine Eingriffe in die Tarifautonomie, „gar eine gesetzliche Öffnungsklausel“. Dohnanyi empfahl seinerseits den Gewerkschaften, flexible Lohnvereinbarungen im Osten hinzunehmen. Andernfalls müßte die Arbeitnehmerorganisation mit einer „rapiden Erosion“ ihres Einflusses rechnen.“ eis

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