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■ KommentarHaases Schnellschuß

In Berlin mahlen die Mühlen der Verwaltung langsam. Zumindest in der Verkehrspolitik. Noch immer ist die Stadt eine wahres Paradies für Autofahrer — gemessen an anderen Metropolen in Westdeutschland. Nicht nur, daß Verkehrssenator Haase im Ostteil auf 27 Straßen weiterhin bis zu Tempo 70 rasen läßt, die Ku'damm- Buspur zeitlich einschränken will und im Westen zahlreiche Tempo-30-Zonen aufhebt. Wo immer sich eine Gelegenheit bietet, dem Autoverkehr nicht weh zu tun, ist Haase zur Stelle.

Jüngstes Beispiel: Die geplante Einführung der Kurzparkzonen in Charlottenburg und Mitte. Nach der harschen Kritik des SPD- Fraktionsvorsitzenden Ditmar Staffelt an der Umsetzung von Koalitionsbeschlüssen zur Verkehrspolitik hat Haase eiligst versichert, zum 1. November erste Kurzparkzonen einzuführen. An sich ein begrüßenswerter Schritt. Doch allein der lächerliche Preis von zwei Mark pro Stunde zeigt, daß der Senat nur halbherzig an die Parkraumbewirtschaftung herangeht. Wo in München bereits fünf Mark pro Stunde verlangt werden, gibt sich Berlin plötzlich sozial — leider an der falschen Stelle. Nur ein Vergleich: Die Fahrt mit der U-Bahn kostet inzwischen drei Mark — drei Stunden Parken soll gerade mal das Doppelte kosten.

Abgesehen von solchen verqueren Maßstäben kann man über die Planung bei den Kurzparkzonen nur mit dem Kopf schütteln. Ein Blick auf die jüngsten Vorschläge der Verkehrsverwaltung beweist, daß hier eher von »Flecken« als von »Zonen« geredet werden muß. Zudem ist weder geklärt, wer die Parkscheine an die Anwohner ausgibt, noch wer die Automaten leert und für die Kassenführung zuständig ist. Charlottenburg hat auf seine Personalprobleme aufmerksam gemacht. Doch von einer Änderung der Rechtsgrundlage, mit der die Bewirtschaftung der Automaten vom Bezirk an ein privates Unternehmen — unter kommunaler Aufsicht — zu übertragen wäre, ist bisher nichts zu hören. So bleibt der Verdacht, daß Haases Schnellschuß wieder auf die Medien abzielt. Denn eines hat der vielgescholtene Senator bitter nötig: Ein wenig Lob für seine ansonsten katastrophale Verkehrspolitik. Mit solchen Maßnahmen kommt er seinem Ziel nun gewiß nicht näher. Severin Weiland

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