Ein DJ für die Wiederauferstehungsfete Von Andrea Böhm

Wissen Sie, was ein „Feminazi“ ist? Oder ein „Delphinknutscher“? Oder ein „Neoconbabbler“? Erstere sind Frauen, die sich für das Recht auf Abtreibung einsetzen; „Delphinknutscher“ sind vernagelte Umweltschützer; und der „Neoconbabbler“ ist Rush Limbaugh, der für die beiden anderen Titel Urheberrecht beansprucht. „Neoconbabbler“, zu deutsch „neokonservative Sabbelköppe“, sind eine relativ neue Spezies in den USA, und Limbaugh ist ihr Leithammel mit eigenen Ansichten über Umweltschutz oder soziale Probleme. Ökologie hält er für so überflüssig wie einen Kropf, weil „die Erde eine sehr bemerkenswerte Einrichtung ist mit einer großen Fähigkeit, sich selbst zu regenerieren“. Und die Armen und Obdachlosen in God's Own Country? Die haben „einen Freifahrtschein gekriegt, weil es seit der Großen Depression nobel ist, arm zu sein. Wir feiern die Obdachlosen, drehen Filme über sie, bringen ihnen bei, wie man in der Mülltonne diniert.“

Rush Limbaugh ist aber auch Radiomoderator, Buchautor und Talk-Show-Master mit einem Sabbelradius von der West- an die Ostküste, von den Rocky Mountains an die mexikanische Grenze. Per Radio erreicht er täglich 12,5 Millionen Landsleute; seine Fernsehshow wird in 95 Prozent des gesamten US-Sendegebietes ausgestrahlt; sein Buch mit dem einleuchtenden Titel „Wie die Dinge eigentlich sein müßten“ hat eine Auflage von 725.000 Exemplaren. Die Leute lesen es wirklich, sagt die New York Times, die das Werk auf Platz eins ihrer Bestsellerliste notierte. Limbaughs Programm ist er selbst und sein Feldzug gegen die Auswüchse des Liberalismus, was in den USA im konservativen Lager soviel bedeutet wie Lepra. Aber er predigt nicht, sondern plaudert. Limbaugh will nämlich unterhalten und nicht beleidigen. Mit der Stimme des Entertainers macht er sich über den Slang des schwarzen Regisseurs Spike Lee lustig („Das ist Plündererjargon“), reißt Witze über Schwule, Frauen und Atheisten, amüsiert sich und sein Publikum köstlich über Bill Clinton und überhaupt all die, die ständig von der Wirtschaftskrise reden, die es nach seiner Ansicht nicht gibt.

Wer wissen will, was um alles in der Welt Limbaugh so populär macht, der muß Oliver North fragen, einen der Überzeugungstäter in der Iran-Contra-Affäre — bei weitem nicht der einzige, aber einer der ganz wenigen, die zwecks Wahrung des rechtsstaatlichen Scheins vor Gericht mußten. Olli jedenfalls ist der Meinung, daß Rush ganz genau den Nerv des durchschnittlichen Amerikaners getroffen hat. Womit er vor allem sich selbst und all die anderen weißen Männer meint, die sich jetzt in den neunziger Jahren mühsam wieder aufrichten. Sie sind nicht die Mehrheit, aber eine stattliche Minderheit, wie die Einschaltquoten zeigen: Seele und Psyche von den Narben der Frauenbewegung gezeichnet, von „Delphinknutschern“ und anderen ökologischen Fanatikern drangsaliert und zum Kauf benzinsparender Autos genötigt, vom unaufhaltsamen Aufstieg der Schwarzen an die Schaltstellen von Politik und Wirtschaft bedrängt. Der weiße Mann — das vom Aussterben bedrohte Wesen— hat in Rush Limbaugh seinen Discjockey für die Wiederauferstehungsfete gefunden.