Wandgemälde statt Jubelfeiern

■ Lateinamerikanische Kunst erobert autochthone deutsche Hauswände

Die Frucht der halbgeschälten Banane sind Raketen und anderes Militärgerät. Im Kreuz fokussiert ist auch ein blondgelockter Europäer mit einem dicken Schwein im Arm, der es eilig hat, sich davonzumachen. Die dunkelhäutige Lateinamerikanerin jagt dafür hinter einem geflügelten Brot hinterher.

Die Banane ist ein höchst politisches Pflanzenprodukt. Wir wissen es nicht erst seit 1989. Politische Wandmalerei besitzt in Lateinamerika eine lange Tradition und genießt hohe Wertschätzung. Die „Escuela Muralista Mexicana“ ist ein Kind der Revolution von 1910. Ihre Mischung aus Naturalismus ist in Europa vor allem durch die monumentalen Wandgemälden Diego Riveras bekannt geworden. In den historisch-sozialen und politisch-sozialen Kontext verankerte Kunst ist Ausdruck von Problemen und Nöten der Bevölkerung, aber auch Träume und utopische Hoffnungen. Die Figuren stehen auf des Messers Schneide, genau einer Machete, deren farbenprächtig ornamentiertes Messerblatt auch die Parole „Venceremos Sandinista“ zeigt: Muralismo, die Kunst als revolutionäre Aktion. Über dem farbenprächtigen Band befindet sich ein Bildfragment, das einen deutlich anderen Malstil aufweist. Die Machete wird von Skeletten getragen, die im Abfall der industrialisierten Welt waten. Der Tod als Knochenmann, als „Calavera“, ist die wohl populärste Figur der lateinamerikanischen Volkskultur.

Der 500. Jahrestag der „Entdeckung“ Amerikas ist Anlaß einer Eroberung in umgekehrter Richtung. 40 Lateinamerika-Wandgemälde sollen in diesen Herbstmonaten in über 30 Orten der Bundesrepublik entstehen und Denkanstöße liefern zur Geschichte des Kolonialismus, zu öffentlicher Kunst. Neben Düsseldorf ist Hamburg ein Zentrum der Wandmal- Aktion. „500 Jahre Conquista“ in der Düsseldorfer Kiefernstraße 37 ist eine Gemeinschaftsarbeit des in Nicaragua lebenden Kolumbianers Daniel Pulido Ortiz, des Düsseldorfer Malers Klaus Klinger und der Jugendgruppe der SJD Die Falken. Das Bild im Bild erinnert an den nicaraguanischen Maler Alejandro Antonio Canales, der 1990 gestorben ist. 1987 hatte er zusammen mit der Düsseldorfer Wandmalgruppe das erste Nicaragua-Wandbild geschaffen, das 1990 unzugänglich hinter einem Büroneubau verschwand. Im gleichen Jahr ließ dann der U.N.O.- Bürgermeister von Managua, Arnoldo Aleman, Wandbilder fortschrittlicher Künstler mit grauer Farbe übertünchen, darunter auch ein Gemälde von Canales. Die Aktion, die mit der Bücherverbrennung der Nazis verglichen wurde, löste einen weltweiten Proteststurm aus. Künstler und Kulturschaffende nannten die „graue Farbe Alemans“ die „Farbe des Faschismus“. Gegenwärtig entsteht in Düsseldorf ein zweites Wandbild von Daniel Pulido Ortiz „Markt und Arbeit in Nicaragua“. El Gordo

Katalog und weitere Informationen: Farbfieber — Verein für Kunst im Stadtteil e.V., Atelier am Fürstenwall 210, 4000 Düsseldorf 1, Tel. 0221-378198.