■ Zum Bedeutungswandel der Gauck-Behörde
: Vor dem Teilrückzug

Zwei Jahre Gauck-Behörde — kein spektakuläres Jubiläum im ohnehin verkaterten Einheitsdeutschland. Das ist gut so. Die Unaufgeregtheit, mit der ein kaum recht wahrgenommener Jahrestag vonstatten geht, spiegelt den Bedeutungswandel der Institution, einen Prozeß, dessen spektakuläre Höhen sich am Ende als Momente einer schleichenden Normalisierung zu erkennen geben. Weder die Perspektive, in der die Behörde als unanfechtbare Bastion aufarbeitender Moral erscheint, noch das diffamierende Etikett einer Inquisitionsinstanz jenseits rechtsstaatlicher Grundsätze bestimmen heute die öffentliche Wahrnehmung. Weder haben sich die Stimmen bewahrheitet, denen das für die Arbeit der Behörde grundlegende Gesetz als zu restriktiv erschien, noch haben die nüchtern-distanzierten und interessierten Warner recht behalten, die mit der Arbeit der Behörde das Ende des gesamtdeutschen Rechtsfriedens heraufbeschworen.

Die neue Normalität, die sich nach den ersten prominenten Enttarnungen, der Welle schockierender Details aus der Praxis von Überwachung und Zermürbung langsam einstellt, spiegelt freilich auch einen öffentlichen Bedeutungsverlust der Institution. Zum einen zollt sie schlicht den Gesetzen einer Mediengesellschaft Tribut, in der für die spektakulär aufbereiteten Ereignisse nachlassendes Interesse und Übersättigung immer schon programmiert erscheinen; zum andern hat die Auseinandersetzung im Fall Stolpe den realen Einfluß der Behörde geschmälert. Stolpe im Amt bedeutet faktisch eine Entwertung des Wahrheitsgehaltes der Akten. Damit ist zugleich die Autorität der Behörde in Frage gestellt, deren Existenzberechtigung unlösbar mit der Aussagekraft verbunden ist, die man den Akten zubilligt.

Auch wenn Gauck immer wieder darauf verwiesen hat, daß die Behörde keine Entscheidungen fällt, tangiert die Konsequenzlosigkeit des Stolpe-Gutachtens die Autorität der Behörde. Deutlich wird jetzt, daß sich die Koppelung von historischer Wahrheit und deren — vermeintlich — auf der Hand liegenden politischen Konsequenzen nicht durchhalten läßt. Das ist nicht die Schuld der Behörde, sondern lediglich Resultat einer aus höchst unterschiedlichen Quellen gespeisten gesellschaftlich-politischen Konsensbildung. Wenn sich die Bedeutung der Behörde zukünftig in Richtung einer theoretischen Aufarbeitung der DDR- Vergangenheit verlagert, so bedeutet das zweifellos eine einschneidende Veränderung der bürgerrechtlich geprägten Gründungsintention. Es wäre zweifellos ein Rückzug, der gleichwohl zwingend werden könnte, will man mit der Intention einer konsequenten personellen Aufarbeitung nicht auch noch die Chance historischer Wahrheitsfindung verspielen. Matthias Geis