Kurdischer Bruderkrieg eskaliert

■ Im Nordirak gehen die Kurden gegen die PKK vor

Istanbul (taz) — Die heftigen Kämpfe zwischen kurdischen Peschmerga und Partisanen der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, im Nordirak dauern an. Der Vertreter der irakischen „Patriotischen Union Kurdistans“ in Ankara, Sechil Kazzaz, sprach davon, daß 15.000 Peschmergas im Einsatz gegen die PKK seien. „Unsere Geduld ist am Ende“, sagte Kazzaz. „Das kurdische Parlament hat am Sonntag den Aktionsplan gegen die PKK verabschiedet. Wir haben sie mehrfach ultimativ aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Die PKK ist den Aufforderungen nicht nachgekommen. Unser Parlament hat den Beschluß gefaßt, mit Gewalt die PKK zu vertreiben.“ Die PKK ist den irakischen Kurdenführern ein Dorn im Auge, weil die Guerillaorganisation von nordirakischem Territorium aus türkische Grenzposten angreift und damit Vergeltungsschläge auf irakisches Territorium provoziert. Nach Berichten aus der Region konzentrieren sich die Kämpfe auf die Gebiete um Haftanin, Hakurk und Batufa im Nordirak. Allein bei Haftanin seien am Montag 54 Menschen ums Leben gekommen, meldete die Istanbuler Tageszeitung Özgür Gündem.

Offensichtlich war der Beschluß der Kurdenführer im Irak, gegen die PKK vorzugehen, von langer Hand vorbereitet, denn die türkische Regierung wurde vorab informiert. Die türkische Tageszeitung Milliyet zitiert einen Militärsprecher: „Wir wußten, daß es in den Lagern nahe des Grenzgebietes zu den Operationen kommen würde. Seit einer Woche schon haben wir darauf gewartet. Es wird ein großer Schlag gegen die separatistische Organisation.“ Die Partisanen der PKK — rund 10.000 Guerilleros sollen sich auf nordirakischem Territorium aufhalten — sind im Grenzgebiet durch angreifende Peschmerga und türkische Grenztruppen eingekreist.

Vergangenen Monat waren die Kurdenführer Mesud Barsani und Jelal Talabani nach Ankara gereist, um Gespräche mit türkischen Politikern zu führen. Es ist wahrscheinlich, daß bei diesen Gesprächen auch das Vorgehen der nordirakischen Führer gegen die PKK abgesprochen wurde. Die Verlängerung des alliierten Militärmacht zum Schutz der irakischen Kurden „Schwebender Hammer“ ist von türkischer Zustimmung abhängig. Auch alle alliierten Hilfslieferungen gelangen über den türkischen Landweg nach Irakisch-Kurdistan, das völkerrechtlich nicht anerkannt ist. Irakisch-Kurdistan ist vollends auf Kooperation mit dem türkischen Regime angewiesen, das seinerseits einen blutigen Krieg gegen die kurdischen Partisanen der PKK in der Türkei führt.

Das kurdische Parlament im Nordirak hat auf der gleichen Sitzung, wo der Plan zur Vertreibung der PKK gefaßt wurde, einen „demokratischen kurdischen Bundesstaat“ ausgerufen. Ein weiterer Schritt zur Anerkennung des ohnehin faktisch existierenden kurdischen Staates, der sich im Mai dieses Jahres mit Parlamentswahlen eine Legitimation verschaffte. Durch die Attacke auf die PKK- Lager und somit der Demonstration von Kooperation mit dem türkischen Staat wollen die irakischen Kurdenführer heftigen Reaktionen seitens der Türkei vorbeugen. Die Verhinderung eines unabhängigen kurdischen Staates ist immer eine Leitlinie türkischer Außenpolitik gewesen. Ömer Erzeren