Naturzerstörung mit EG-Geldern

■ Koordinationsprobleme zwischen verschiedenen Behörden

Berlin (taz) — Die Europäische Gemeinschaft verstößt bei der Förderung von Projekten in strukturschwachen Regionen massiv gegen die eigenen Umweltziele. Das stellte der Europäische Rechnungshof in einer jetzt veröffentlichten Studie fest. Einer der Gründe: erhebliche Koordinationsprobleme zwischen den verschiedenen europäischen Behörden, die sich mit Regional- und Umweltpolitik beschäftigen.

Im Extremfall führt dies nach der Untersuchung des Rechnungshofs dazu, daß die EG gleich zweimal zur Kasse gebeten wird. So finanzierte die Generaldirektion XIV (Fischerei) Fischfabriken in Lagunen entlang der italienischen Mittelmeerküste. Zur selben Zeit erarbeitete die Generaldirektion XI (Umwelt) Pläne für den Schutz dieser Gebiete vor Eingriffen und stellte Umweltschützern vor Ort Geld dafür zur Verfügung.

In vielen Fällen verstoßen aus Brüssel unterstützte Projekte gegen die Umweltstandards der Gemeinschaft: Beim Bau der Bundesstraße 212 in Niedersachsen wurden mehrere Feuchtwiesen zerstört, die aufgrund der EG-Vogelschutzrichtlinie unter Schutz standen. Ein Industriegelände mitten in einem Trinkwasserschutzgebiet in Sachsen-Anhalt erhielt Fördermittel, ohne daß die Firma Anlagen zur Entsorgung des Abwassers und anfallender Chemikalien nachweisen konnte. Auf 27 Verstöße gegen Umweltschutzbestimmungen brachte es gar ein Bergbauprojekt im spanischen Castilla-La Mancha.

Auch die explizit für Umweltschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellten Gelder werden oft nicht sinnvoll eingesetzt. In einem Fall wurde der Bau eines Hotels aus Öko-Mitteln subventioniert. Einem Stahlwerk in Saloniki bezahlte die EG den Einbau von Spezialfiltern. Den aufgefangenen Staub aber lagerte das Unternehmen in einem Kellerraum und verstreute ihn schichtweise auf die umliegenden Grundstücke. Niemand hatte sich Gedanken über eine umweltgerechte Entsorgung des Giftmülls gemacht.

Die meisten EG-Umweltprojekte haben nach Ansicht des Rechnungshofs „qualitativ begrenzte Auswirkungen“. Ihre Überwachung lasse „stark zu wünschen übrig“. Nur selten würden die für Umweltschutz zuständigen Stellen vor Ort konsultiert.

Als „vernichtende Kritik an der europäischen Umweltpolitik“ hat die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer das Papier bezeichnet. Sie rechnet damit, daß sich aufgrund von Stellenstreichungen bei der Umweltdirektion in Brüssel die Situation sogar noch verschärfen könnte. Außerdem müßten den Ländern, die der Ökologie einen geringen Stellenwert beimessen, die Fördermittel aus Brüssel gestrichen werden.

Udo Bünnagel