Märkische Demonstranten bei der Treuhand

■ 700 Beschäftigte der Premnitzer Faser AG fordern Rücknahme der Privatisierung

Berlin (taz) — „Wir können ihnen einen Markt für Produkte, die niemand haben will, nicht herbeizaubern. Die Wahrheit ist, daß die Produkte nicht zu verkaufen sind und daß auch mit Investitionen die Lage nicht zu retten ist.“ Mit diesen Worten faßte Klaus Schucht, Vorstandsmitglied der Treuhand, gestern vormittag zusammen, wie er die Zukunft der Märkischen Faser AG sieht.

Rund 700 der 2.155 Beschäftigten des Chemieunternehmens in Premnitz (Brandenburg) waren nach Berlin gekommen, um vor der Treuhandanstalt für den Erhalt ihres Unternehmens zu protestieren. Sie fordern, daß die Treuhand das am 1. Januar diesen Jahres an das schweizerische Handelsunternehmen Alcor AG veräußerte Unternehmen zurücknimmt. Darüber hinaus verlangen sie von der Treuhand ein realistisches Konzept. Das Unternehmen benötigt 50 Millionen Mark, damit der Betrieb bis Ende 1993 überleben kann. Die Beschäftigten hoffen, daß bis dahin ein anderer Investor gefunden worden ist.

Während vor dem Tor der Treuhand der Betriebsratsvorsitzende Mathias Hohmann und der Treuhandvorstand Klaus Schucht über Megaphon laustark miteinander verhandeln, skandieren die Betriebsangehörigen: „Faser sanieren, statt Premnitz planieren.“ Sie sind entsetzt und empört darüber, daß ein ganzer Landstrich „plattgemacht“ werden soll. „Wenn die Faser AG geschlossen wird, ist das für uns das Aus. Dann gibt's nichts mehr. Alle Betriebe in der Region werden dichtgemacht“, sagt Christa Riedel, die seit 34 Jahren bei der Faser AG arbeitet und sich schon jetzt als künftige Sozialhilfeempfängerin sieht.

Seit 14 Tagen halten die Premnitzer ihren Betrieb besetzt. Am 23. September hatte der Übernehmer alle Angestellten gekündigt und die Schließung des Werkes verkündet. Nach zähen Verhandlungen in Potsdam hatte die Treuhand sich mit dem Land Brandenburg und Vertretern der Alcor AG dazu durchgerungen, die Kündigungen zurückzunehmen und 25 Millionen für eine Überbrükkungsphase von vier Wochen zur Verfügung zu stellen. Diese werden nun aus dem Verkauf von Grundstücksflächen, die zur Faser AG gehören, freigestellt. Eine Rückabwicklung des Vertrages, die wichtigste Forderung der Besetzer, scheint unrealistisch. Schucht betont: „Auf die Frage, ob wir die Märkische Faser zurücknehmen, wiederhole ich das bereits ausgesprochene Nein.“ Die wollen „keinen Präzedenzfall schaffen, weil sie damit eine Welle von Ansprüchen bereits privatisierter Unternehmen auszulösen befürchten“, erklärt Betriebsrat Hohmann. Julia Albrecht