"Idiotische Gründe"

■ Der britische Dokumentarfilmer David Cohen über sein Spielfilmdebüt "Das Lustprinzip" und das Unbehagen in der Liebe

INTERVIEW

»Idiotische Gründe« Der britische Dokumentarfilmer David Cohen über sein Spielfilmdebüt

Das Lustprinzip und das Unbehagen in der Liebe

Der schüttere Mittdreißiger Dick (Peter Firth) scheint ein Ururenkel Cassanovas zu sein. Er liebt drei Frauen, und als das zu kompliziert wird, flüchtet er zu einer Vierten. Doch als die vier Geliebten gemeinsam Dicks Betrug aufdecken, steht der Super-Lover ganz schön dumm da. Der britische Dokumentarfilmer David Cohen startet in seinem 200000-Pfund-Spielfilmdebüt einen Angriff auf die Single-Gesellschaft der Neunziger. Die intelligente Liebes-Komödie in Woody-Allen-Manier läuft im City an.

Sie sind Dokumentarfilmer. Warum wollten Sie einen Spielfilm machen?

Ich habe sehr viele ernsthafte Dokumentarfilme zu sehr schwerverdaulichen Themen, wie Drogen, Rassismus, Gefängnisse gemacht. Meistens aber Filme über psychologische Themen. Ich habe in Oxford Psychologie studiert, da liegt das nahe. Beispielsweise durfte ich als erster in einer russischen Psychiatrie drehen. Nach all diesen traurigen Filmen wollte ich die Leute zum Lachen bringen, und etwas Intelligentes und Neues zum Verhältnis der Geschlechter sagen.

Ein Mann mit vier Frauen. Das ist nicht neu.

Das nicht. Aber die Perspektive macht's. In den klassischen Komödien, wie in Moliéres „Don Juan“ sind die Frauen anhänglich und nicht besonders intelligent. Don Juan verachtet sie, und sie lieben ihn trotzdem. Das passiert in meinem Film nicht. Die Frauen sind selbstbewußter geworden und das spiegelt der Film wieder.

Ihr Film heißt „Das Lustprinzip“. Aber Dick scheint eher gefrustet.

Ja. Der Film könnte auch, anlehnend an Freuds 'Unbehagen in der Kultur', 'Das Unbehagen in der Liebe' heißen. Die Menschen können nicht wirklich zufrieden sein, weil die Gesellschaft ihr Glück unterdrückt. Außerdem ist durch den Psycho-Boom in Amerika einige Verwirrung entstanden.

Was meinen Sie damit?

Die Psychologen haben versucht, für alles eine Lösung zu finden, und irgendwie versprochen, daß das totale Glück möglich ist. Danach suchen nun Männer und Frauen. Aber jede Beziehung bringt auf die Dauer Probleme mit sich. Ich habe den Eindruck, daß die Menschen nicht wirklich fähig sind einander beizustehen. Ich habe sehr viele Freunde, die sich zwei bis drei Mal im Jahr verlieben. Sie sind drei Monate im siebten Himmel und wenn die ersten Probleme auftauchen, geben sie auf und suchen weiter nach der perfekten Beziehung.

1So wie Dick?

Natürlich. Er kann sich überhaupt nicht einlassen. Seine Ex-Frau sagt einmal zu ihm: 'Ich habe eine Wahl getroffen. Es ist keine perfekte Wahl, aber eine Wahl.' Dick aber wählt nicht, sondern hält an seinem Traum fest und will nur die schönen Seiten des Lebens haben. Er hat einfach keine Geduld. Und so geht es vielen. Es ist unglaublich, aus welchen idiotischen Gründen in England Ehen geschieden werden. Der Psycho-Boom war gut

1dafür, daß sich die Menschen nicht mehr alles gefallen lassen. Aber für die Liebesbeziehungen war er verheerend, weil die Menschen nicht gelernt haben, sich wirklich aufeinander einzulassen.

Ist der Film autobiographisch?

Nur zur Hälfte. Ich habe schon viele Filme gemacht, und ich hätte sie nicht machen können, wenn ich so hinter den Frauen hergewesen wäre wie meine Hauptfigur. Da bleibt keine Zeit mehr.

Fragen: Bettina Henning