Die Kleinen kriegt man, die Großen nicht

■ Hamburger Arbeitsamt fahndet auf Baustellen nach illegal Beschäftigten / Hintermänner bleiben meist im Dunkeln

/ Hintermänner bleiben meist im Dunkeln

Illegale Beschäftigung greift immer weiter um sich: 17000 „Schwarzarbeiter“ spürte das Arbeitsamt im vergangenen Jahr auf. Nach einer Untersuchung der Gewerkschaft Bau Steine Erden malochen allein auf Hamburgs Baustellen 1500 Ostarbeiter illegal zu Hungerlöhnen von einer Mark bis zehn Mark pro Stunde. Mit einer Fahndungsgruppe versucht das Arbeitsamt, die illegale Beschäftigung einzudämmen, Schlepperringen und Menschenhändlern auf die Spur zu kommen, die sich durch die Vermittlung von Schwarzarbeitern eine goldene Nase verdienen, indem sie bis zu 40 Mark pro Stunde und mehr abkassieren.

Tatort Schlettstadter Straße, Dulsberg, gestern morgen, 10 Uhr: In einer Seitenstraße versammeln sich rund 25 Männer und Frauen der Hamburger Arbeitsamtsfahndung — Baustellen-Razzia ist angesagt. Die aus rund 40 MitarbeiterInnen bestehende Dienststelle hatte einen Hinweis bekommen, daß auf dieser Baustelle Ostarbeiter illegal beschäftigt werden. „Es handelt sich um einen alten Klinkerblock, der völlig erntkernt und umgebaut wird, eine Baustelle, auf der mehrere Firmen tätig sind“, weist Chef Martin Kolb seine MitarbeiterInnen ein. Ein Fahnder ergänzt: „Wir haben das Haus gestern observiert, es herrschte dort ein reges Treiben.“ Vor Ort wird das genauer Vorgehen abgeprochen, die Gruppen für die vier Eingänge zusammengestellt. Mit von der Partie sind auch ein Mitarbeiter der Zollfahnung und eine Beamtin des Landeskriminalamtes.

Auf ein Zeichen geht's los, werden alle Eingänge besetzt. Behutsam durchstöbern wenig später die Trupps Stockwerk für Stockwerk den Klinkerbau. Angetroffene Arbeiter müssen sich ausweisen, den Sozialversicherungsnachweis vorlegen, einen Fragebogen ausfüllen. Im zweiten Stock treffen die Fahnder zwei Polen an, die keinerlei Papiere dabei haben, nur ein paar Worte deutsch sprechen: „Papiere zu Hause — im Zimmer“. Da der Fragebogen auch in polnischer Sprache abgefaßt ist, können doch schnell Auskünfte eingeholt werden. Die Arbeiter geben an, bei einer Firma in Rothenburgsort zu arbeiten, die dem Arbeitsamt bekannt ist. Auch ein Bosnier wird ohne Papiere angetroffen. Er beteuert aber, schon neun Mal seine Arbeitserlaubnis vom Arbeitsamt verlängert bekommen zu haben, und kann auch die genaue Anschrift seines Betriebes nennen. Kolb: „Das klingt erstmal glaubwürdig.“ Es werde allerdings später alles überprüft.

Im Parterre wird eine Fahnderin schließlich doch fündig. In einem Hinterraum trifft sie einen jungen Polen bei der Arbeit an, der ebenfalls keine Papiere vorweisen kann. Er versteht nichts, erst als eine Dolmetscherin eingreift, kann er plötzlich deutsch. Der Pole gesteht, keine Arbeitserlaubis zu besitzen, er sei als „Tourist“ in die Bundesrepublik eingereist. „Ein Freund hat mir gesagt, daß Herr Weiß Arbeit für mich hat.“ Seit mehr als einer Woche arbeite er nun auf dieser Dulsberger Baustelle, 200 Mark habe er bislang bekommen. „Manchmal kommt Herr Weiß vorbei.“ Gestern ließ sich der „Herr Weiß“ natürlich nicht blicken, nach der Razzia dürfte es nun schwer werden, den großen Unbekannnten noch aufzuspüren. Kolb: „Da haben wir kaum eine Chance.“

Selbst bei einer Überprüfung der offiziellen Baufirmen sei es schwer möglich, den „Arbeitgeber“ des Polen herauszufinden. „Es ist ganz, ganz schwer, bei der Fülle an Subunternehmen und Werksvertragsfirmen eine Zuordnung vorzunehmen“, so Kolb. Für den Polen ist der Arbeitstag gelaufen, mit einem Peterwagen wird er zur Personalienfeststellung ins nächste Revier gefahren.

Für die Fahnder ist der Fall jedoch noch nicht abgeschlossen. Mit den 15 Fragebögen in der Hand geht es gleich im Anschluß an die Razzia zu den enstprechenden Firmen, um zu überpüfen, ob die Angaben richtig sind. Kolb: „Wir wollen alle Unterlagen einsehen und prüfen, ob alle ordnungsgemäß angemeldet sind.“ Schon eine Stunde später durchstöbern die Mitarbeiter des Arbeitsamtes das Personalbüro des Betriebes in Rothenburgsort, doch sie finden dort keine weiteren Anhaltspunkte für illegale Beschäftigung. Kai von Appen