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Neue Hausordnung für Bürgerschaft

■ Enquete-Kommission zur Parlamentsreform hat ihre Schularbeiten fast fertig: Bürgerbeteiligung, Volksentscheide, Wahlen alle fünf Jahre / Beamte nicht mehr in der Bürgerschaft / Halber Abschied vom...

hat ihre Schularbeiten fast fertig: Bürgerbeteiligung, Volksentscheide, Wahlen alle fünf Jahre / Beamte nicht mehr in der Bürgerschaft / Halber Abschied vom Feierabendparlament / Diäten: 6800 Mark

Nun wird's ernst für Hamburgs Abgeordnete. Das Großreinemachen in der Bürgerschaft steht bevor, am 20. Oktober will die Enquete-Kommission zur Parlamentsreform ihre Vorschläge zur Neuordnung des Hamburger Polit-Alltags vorlegen. Und die haben's in sich: Mehr Bürgerbeteiligung durch Volksinitiativen, Volksbegehren bis hin zu Volksentscheiden, keine Beamten mehr im Parlament, Verlängerung der Legislaturperiode, Einführung von Wahlkreisen und ein halber Abschied vom Feierabendparlament.

Nach Informationen der taz hat sich die aus elf mehr oder weniger unabhängigen Experten und vier Vertretern der Bürgerschaftsfraktionen zusammengesetzte Kommission auf folgende Hamburger Parlaments-Hausordnung geeinigt, die auf der letzten Sitzung des Gremiums am 16. Oktober verabschiedet werden soll:

Bürgerbeteiligung an der Parlamentsarbeit und der Gesetzgebung wird durch zwei Verfahren ermöglicht. Da ist zum einen die sogenannte Volkspetition: 10000 Unterschriften müssen zusammenkommen, um die Bürgerschaft dazu zu zwingen, sich mit einem Thema zu befassen. Unterschreiben dürfen alle Einwohner, also zum Beispiel auch Ausländer. Nur Wahlberechtigte dürfen sich dagegen an einem plebiszitären Etappenrennen beteiligen, das schließlich in einen Volksentscheid einmünden kann. Es beginnt mit einer Volksinitiative, einer Forderung (Beispiel: Kein Hafenausbau Altenwerder), die 20000 Wahlberechtigte unterschreiben müssen. Sind diese Unterschriften zusammen, muß der Senat ein Volksbegehren zu dieser Forderung organisieren, öffentlich Unterschriftenlisten auslegen. Unterschreibt ein Zehntel der Wahlberechtigten (im Beispiel: spricht sich gegen die Hafenerweiterung aus), muß die Bürgerschaft entweder dieser Forderung folgen oder es kommt zum Volksentscheid und damit zur Abstimmung: Hafenausbau ja oder nein. Die Mehrheit entscheidet. Allerdings nur, wenn sich auch ausreichend Bürger beteiligen, mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten müßten für die Forderung der Antragsteller stimmen, um in unserem Beispiel Altenwerder zu kippen.

Wahlen finden nur noch alle fünf Jahre statt. Statt der reinen Listenwahl, bei der nur eine Partei angekreuzt werden durfte, gibt es künftig für jeden Wähler zwei Stimmen. Hamburg wird in Wahlkreise aufgeteilt. Wie bei der Bundestagswahl wird eine Stimme für einen Direktkandidaten, die andere für eine Partei vergeben. 40 Prozent der Parlamentssitze werden über die Direktwahl vergeben, 60 Prozent über die Listen. Nach dieser Zweitstimme richtet sich auch die Stärke einer Partei im Parlament.

Abgeordneter darf nur noch werden, wer nicht gleichzeitig in Hamburgs öffentlichem Dienst oder in führender Position bei einem stadteigenen Unternehmen beschäftigt ist. Für rund 40 Prozent der jetzigen Abgeordneten heißt das: raus aus dem Parlament oder raus aus dem Job. Auf eine Empfehlung zur Größe der Bürgerschaft konnte sich die Kommission nicht einigen. Ein Teil der Mitglieder votiert für eine Verringerung auf 100 Abgeordnete, der andere möchte es bei 120 belassen.

Geld bekommen die Parlamentarier künftig nicht mehr als Netto- Aufwandsentschädigung (derzeit rund 1900 Mark), sondern als zu versteuernde Diäten. 6800 für jeden, unabhängig davon, ob er nebenbei noch einen anderen Job hat und damit faktisch Feierabendparlamentarier bleibt oder zum Polit- Vollprofi mutiert. Wann Parlaments- und Ausschußsitzungen künftig beginnen, soll die Bürgerschaft selbst festlegen.

Fraktionsvorsitzende und die Parlamentspräsidentin bekommen die doppelte Diät, Stellvertreter das eineinhalbfache, wobei den Fraktionen letztlich überlassen bleibt, wie sie diese Einnahmen aufteilen.

Senatoren werden künftig vom Bürgermeister ernannt, müssen vom Parlament aber bestätigt werden. Rausschmeißen darf sie der Bürgermeister aber ganz alleine. Ein konstruktives Mißtrauensvotum des Parlaments ist nicht mehr nötig. Die Behördenchefs dürfen künftig auch Abgeordnete sein, bekommen dafür aber kein zusätzliches Gehalt. Bisher galt in Hamburg die Trennung von Amt und Mandat.

Bürgermeister haben künftig mehr Macht. Sie dürfen sich ihren Senat selbst zusammenstellen. Der Chef hat künftig auf dem Papier die Richtlinienkompetenz. Die Senatoren sind für ihre Ressorts verantwortlich.

Zeitplan: Die Parlamentsreform soll nach dem Willen der Kommission mit Beginn der kommenden Legislaturperiode 1995 in Kraft treten. Die entsprechenden Verfassungsänderungen sollen 1993 im Parlament verabschiedet werden.

Fragt sich nur, ob die Bürgerschaft den Empfehlungen der Kommission auch folgt, das Parlament im Sinne der Experten aufräumt. Zumindest den Beamten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes dürfte es schwer fallen, für ihre eigene Verbannung aus dem Parlament zu stimmen. Aber auch die Höhe der Gehälter, die Einrichtung von Wahlkreisen und die größere Bürgerbeteiligung dürfte nicht allen Abgeordneten gefallen. Uli Exner

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