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Bremer „Wittheit“ wird entstaubt

■ Neue Vizepräsidentin deutet eine Verjüngungskur für den gelehrsamen Verein an

Die „Wittheit zu Bremen“, altehrwürdige, traditionsreiche Bremer wissenschaftliche Gesellschaft, versammelt vom „Ärztlichen Verein zu Bremen“ bis zum „Zoo am Meer mit Nordsee-Aquarium“ so ziemlich alles, was wissenschaftlichen Ruch, Rang und Namen hat. Zwei neue Präsidenten stehem dem Verein seit Oktober vor: Uni-Vize-Rektor Christian Marzahn und Martina Rudloff, die Leiterin des Gerhard-Marcks-Haus. Vizepräsidentin Martina Rudloff sprach mit der taz über die Neuigkeiten im Traditionsverein

„Die Wittheit zu Bremen“, das klingt nach viel Gelehrsamkeit und Staub.

Martina Rudloff: Die Gelehrsamkeit, das ist gerade das, was mich interessiert. Die „Wittheit“ ist ein Dachverband der wissenschaftlichen Vereinigungen in Bremen. Und ich finde es wichtig, die Wissenschaft an ein größeres Publikum zu bringen. Was den vermeintlichen Staub anbetrifft, müssen wir den Kontakt zu und das Gespräch mit den jungen Generationen suchen. Auch den Austausch zwischen älteren und jüngeren Wissenchaftlern wollen wir fördern. Und nach anderen Darstellungsformen für die Wissenschaft suchen. Es gibt sicher andere Formen als den monologisch langen Vortrag.

Wenn ich mir Ihr Veranstaltungsverzeichnis anschaue, bekomme ich wenig Lust, einen Vortrag der „Wittheit“ zu besu

Hierhin bitte das Foto

von der netten Frau

Martina RudloffFoto: Katja Heddinga

chen. Da ist alles grau in grau, ein ziemlich öder Terminkalender.

Ja, das Programmheft ist wenig ansprechend. Die Wittheit muß ein neues Bild bekommen. Und als Museumsleiterin sehe ich meine persönliche Aufgabe natürlich vor allem darin, neue Formen der Darstellung zu finden.

Das betrifft die Form. Und was ist mit dem Inhalt?

Der Inhalt ist ja da. Die Vorträge der Wittheit sind von sehr hoher wissenschaftlicher Qualität. Da müssen wir auch sehen, daß die bleibt. Wir können nicht populistisch werden, unser Ziel ist nicht, spektakulär zu sein. Wir wollen die gute alte Bremer Tradition des Weitergebens von Bildung in eine der Zeit angemessene Form gießen.

Und obwohl dieses Wort jetzt auch so oft im Munde der Kultur

senatorin ist: Die „Wittheit“ muß auch ein Ort der Nachdenklichkeit sein.

Welche Schwerpunkte wollen Sie inhaltlich setzen?

Mir liegt besonders der Zusammenhalt von Kunst und Wissenschaft am Herzen. Den sehe ich in Gefahr, seit sich das in zwei senatorische Ressorts geteilt hat. Die „Wittheit“ wurde 1987 vom Senat kläglich zusammengestaucht — von einem Jahresetat von 150.000 auf 50.000. Und wir sind jetzt in der mißlichen Lage, neben vielen anderen auf die Spenden-Pirsch zu gehen.

Seit wann sind Sie selbst Mitglied der Wittheit zu Bremen?

Seit fünf Jahren. Zuerst war das Museum Mitglied, dann ich.

Wie wird man denn Mitglied in so einem ehrwürdigen Verein?

Entweder hat man die Ehre, daß es einem angetragen wird, oder man stellt einen Antrag.

Gibt es Nachwuchsprobleme?

Das Durchschnittsalter in unserer Gesellschaft ist sehr hoch, das ist aber auch typisch für das Vereinsleben. Wer geht schon in einen Verein? Wir wollen mehr junge Leute ansprechen und auch mehr Frauen. Ich bin die erste Frau im Vorstand der „Wittheit“, und es gibt in Bremen soviel wissenschaftlich arbeitende Frauen. Aber in unserer diesjährigen Vortragsreihe taucht nicht eine einzige Frau auf. — Ein Desiderat!

Wir wollen auch die menschlichen Begegnungen fördern. Es ist beispielsweise daran gedacht, „Wittheitsgespräche“ zu gründen.

Meinen Sie, daß in den Vortragsreihen der „Wittheit“ Themen angesprochen werden, die die Leute wirklich bewegen?

Man wundert sich manchmal: Die entlegensten Themen haben oft viele Besucher, während die Themen von denen man meint, daß sie in der Luft liegen, niemand ansprechen. Das ist ein Imponderabil. Diemut Roether

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