■ Press-Schlag
: Olympische Ohrfeigen

Berlin (dpa/taz) — Von allen guten Geistern verlassen ist die Olympia-Bewerbungs-GmbH schon lange, doch jetzt verlassen selbst die bösen Geister das sinkende Fünf-Ringe-Schiff. Nicht einmal Kanzler Kohl, der bekanntlich nur selten von einer Dummheit zurückweicht, mag sich noch offen zur Bewerbung seiner Hauptstadt Berlin um die Olympischen Spiele 2000 bekennen. Das kanzlerische Zögern aktivierte den grantelnden Ex-SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Hans-Jochen Vogel. Der Berlin-Abgeordnete forderte im Bundestag den Kanzler auf, sich klar zu entscheiden. „Dieses Gewürge mit dem Jein des Kanzlers hilft niemandem“, geißelte Vogel und belehrte: „Auch München hätte bei einer so unentschlossenen Haltung des Kanzlers Ludwig Erhardt keinen Erfolg bei der Bewerbung 1972 gehabt.“

Noch flammender äußerten unbekannte Täter ihre Abneigung gegen die olympischen Ambitionen der Stadt. Sie zündeten die für die Olympia GmbH tätige Berliner Planungsfirma „Cad-Map“ an. Dabei fackelten Computer ab, mit denen das Unternehmen unter anderem digitalisierte Zeichnungen für die Architektur der Olympia-Bauten anfertigt. Von den Tätern waren zwei Brandbomben mit Zeitschaltung deponiert und Benzin verschüttet worden. Im Bekennerbrief der autonomen Olympiahasser heißt es hämisch: „Wer mit den olympischen Ringen spielt, verbrennt sich leicht die Finger. Wir wollen keine Spiele, weder in Berlin noch sonstwo.“

Doch nicht genug der Schmach — auch die Historiker schlagen neuerdings im Ohrfeigenorchester der Olympia- Zweifler mit. Die Olympia GmbH habe keine Idee zur Aufarbeitung der „Nazi-Spiele von 1936“ erkennen lassen. Dem Vorwurf schleuderte GmbH-Pressesprecher Heiner Giersberg ein donnerndes „kompletter Unfug“ entgegen. Seine weiteren Argumente wirken dagegen eher dünn: „Natürlich gibt es Vorstellungen, wie mit den 36er Spielen umzugehen ist. Aber aus verschiedenen Gründen sind wir damit noch nicht an die Öffentlichkeit gegangen. Für ein solches Konzept sind sehr schwierige Abstimmungsprozesse mit vielen Experten aus Kultur, Kunst, Geschichte und Politik nötig.“ Man habe nämlich erkannt, daß es sich hierbei um ein „sensibles Thema“ handele. „Wir wollen rund 200 Fachleute einbeziehen, und das braucht noch etwas Zeit.“

Einzig das Land Brandenburg denkt noch olympisch. Per Kabinettsbeschluß wird es sich mit zehn Prozent der Gesellschafteranteile an der Berliner Olympia 2000 GmbH beteiligen. Aufsichtsratssitze in der GmbH übernehmen IM Sekretär (Ministerpräsident Manfred Stolpe) sowie die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport, Marianne Birthler (Bündnis 90). Brandenburg wird sich bemühen, Sport- und Trainingsstätten bereitzustellen und sich an wissenschaftlich-kulturellen Veranstaltungen, Infrastrukturmaßnahmen und am Bewerbungskonzept beteiligen. miß