Noch 85 Tage Tschechoslowakei

■ Die Ministerpräsidenten Vaclav Klaus und Vladimir Meciar beenden den Streit: Endgültige Teilung der CSFR zum 1. Januar

Prag (AFP/AP) — Die Teilung der Tschechoslowakischen Föderativen Republik (CSFR) ist beschlossene Sache. Nach einer über achtstündigen Krisensitzung im mährischen Jihlava (Iglau) verständigten sich die Ministerpräsidenten der tschechischen und slowakischen Teilrepubliken, Vaclav Klaus und Vladimir Meciar, am Dienstag abend darauf, daß die CSFR zum 1. Januar aufgelöst werden soll.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz in der Nacht sagten beide Politiker, die entsprechenden Vereinbarungen sollten simultan in Kraft treten, nachdem sie im November von beiden Parlamenten verabschiedet worden seien. Bis dahin solle auch eine eigene tschechische Verfassung in Kraft treten. Die Slowakei hatte bereits Anfang September eine eigene Verfassung in Teilen in Kraft gesetzt. Die beiden unabhängigen Staaten sollen durch über 15 wirtschaftliche, soziale, juristische und militärische Abkommen miteinander verbunden werden. Die Einzelheiten sollen bei einem zweiten Treffen am Samstag erörtert werden. Dann werden die Vertragsentwürfe den beiden Landesparlamenten vorgelegt.

Das Klaus-Meciar-Treffen war notwendig geworden, nachdem das Bundesparlament der CSFR vergangene Woche die Spaltung abgelehnt und überraschend die Bildung einer tschecho-slowakischen Union gefordert hatten. In der Vereinbarung lehnen Klaus und Meciar die Bildung einer Union ab, obwohl sie zuvor noch von Meciar ultimativ gefordert wurde. Vielmehr werde „garantiert“, daß alle Fragen, die die Teilung der Tschechoslowakei betreffen, „nur auf der Basis gemeinsamer Übereinkünfte“ gelöst werden. Meciar erklärte, die 15 Abkommen erfüllten praktisch seine Forderung nach einer Union, allerdings „mit einem kleinen U“.

Wie es weiter hieß, „respektiere“ die tschechische ODS von Klaus die Weigerung der slowakischen HZDS, eine föderale Struktur für den künftigen Staat zu akzeptieren. Im Gegenzug „respektiere“ die HZDS die Weigerung der ODS, eine tschecho-slowakische Union oder die Umformung der CSFR in eine Konföderation anzuerkennen.

Noch nicht geklärt werden konnten die Fragen der Übertragung der Kompetenzen und die Aufteilung des Bundesvermögens sowie der Armee bei der Teilung der CSFR. Die Einzelheiten hierzu sollten vom Bundesparlament ausgearbeitet werden. Meciars HZDS weigert sich bislang, die Spaltung der CSFR voranzutreiben, bevor diese Fragen nicht geregelt sind. Die Slowaken stellten das Prinzip der Gebietsaufteilung in Frage, weil sie sich dadurch benachteiligt fühlen. Ein Großteil des Bundesvermögens liegt ihrer Meinung nach auf dem Gebiet der tschechischen Republik. Meciar hatte die Bundesregierung noch am Dienstag beschuldigt, der Slowakei Milliardenbeträge vorenthalten zu haben. Jetzt kündigte der Ministerpräsident des Bundes, Jan Strasky, eine Aufschlüsselung des Bundesvermögens an, die dem Parlament vorgelegt werden soll.

Meciar will nach eigenen Angaben in der Slowakei ein Referendum über die Teilung des Bundesvermögens abhalten lassen. Damit scheint er einer Volksabstimmung über die Teilung des Landes entgegenwirken zu wollen, bei der nach Regierungsumfragen in beiden Landesteilen eine Mehrheit nicht zu erwarten ist. Auch einen gemeinsamen Bundeshaushalt 1993, den er zuvor noch gefordert hatte, bezeichnete er nach dem Treffen als gegenstandslos. Beide Staaten würden im kommenden Jahr nur noch die Arbeit der Vermögensausgleichsämter gemeinsam finanzieren.

Die Ministerpräsidenten der beiden Teilrepubliken hatten zuerst am 26. August die Auflösung der CSFR zum Jahresende vereinbart. Die linke Opposition im Bundesparlament fordert allerdings, das Volk über die Aufteilung der CSFR entscheiden zu lassen. Am vergangenen Donnerstag hatte das Bundesparlament in Prag dann den Regierungsentwurf zur Teilung der CSFR zum Jahresende zurückgewiesen und überraschend die Bildung einer tschecho-slowakischen Union vorgeschlagen. Beide Parteien hatten sich seitdem gegenseitig vorgeworfen, die Vereinbarung zur Trennung nicht eingehalten zu haben.

Nach Einschätzung der Nachrichtenagentur CSTK ist das wichtigste Ergebnis des Treffens die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Bundesparlaments. Damit sei die Gefahr eines Chaos gebannt, das dann gedroht hätte, wenn die Aufteilung den beiden Landesparlamenten hätte überlassen werden müssen.